10.02.2025

Alkohol schürt Streit und Gewalt

Für mein aktuelles YouTube-Video habe ich eng mit meiner Mitarbeiterin Rosa zusammengearbeitet. Sie hat dazu auch einen Text formuliert, den ich sehr feiere – weil er informiert, abholt und Mut macht. Geschrieben hat sie ihn für Dich und ich möchte ihn nun mit Dir teilen:


Rosa

Lange dachte ich, dass Alkohol mich interessanter macht. Geselliger. Cooler. Ich dachte, mit Alkohol hätte ich mehr Spaß, wäre tiefgründiger und lustiger – genauso, wie ich es in Alkoholwerbung, Filmen und Serien gesehen hatte. Tatsächlich hat er mich aber mehr und mehr verändert. Und zwar zum Negativen. Ich habe mich immer weiter von mir selbst entfernt und von den Menschen, die ich liebe. Ich wurde unzuverlässiger und härter – mir selbst und anderen gegenüber. Mit ein paar Drinks intus habe ich aus einer Mücke schnell mal einen Elefanten gemacht und Dinge gesagt, die andere verletzt haben.

Wenn Alkohol die Kontrolle übernimmt

Vielleicht kennst Du das ja auch von Dir. Du bist mit Deinem Partner oder Deiner Partnerin zum Essen bei Freunden eingeladen. Der erste Aperitif wird gereicht, ein bisschen Smalltalk hier, ein Kompliment da – die Gespräche fließen locker dahin. Nach dem dritten Glas erzählst Du Dinge, die Du sonst für Dich behalten würdest. Dein Lachen wird lauter, Deine Gesten ausladender. Du unterbrichst andere andauernd mitten im Satz, weil Dir plötzlich etwas ganz Dringendes einfällt. Klingt noch harmlos, oder? Aber genau hier beginnt der Alkohol schon, Grenzen zu verschieben.

Und nach dem sechsten Glas? Da kippt die Stimmung. Deine Begleitung beugt sich zu Dir und sagt leise: „Vielleicht solltest Du mal ein Glas Wasser trinken.“ Du schnaubst genervt: „Was soll das jetzt heißen? Kannst Du mich nicht einfach mal machen lassen, statt mich ständig zu kontrollieren?“ Die anderen am Tisch werfen sich Blicke zu und versuchen, das Gespräch wieder in Gang zu bringen. Später, als die Gastgeberin den Nachtisch serviert, haust Du raus: „Oh, das sieht ja… interessant aus. Da hast Du Dich ja richtig ins Zeug gelegt – dafür, dass Du sonst nie kochst.“ Es sollte ein Scherz sein, aber ihre Miene versteinert. Du merkst nicht einmal mehr, dass Du sie verletzt hast.

So wirkt Alkohol. Er macht uns impulsiver. Er lässt uns Dinge sagen oder tun, die uns nüchtern nie in den Sinn kämen – oder die wir niemals aussprechen würden, weil unser unvergiftetes Gehirn längst die Bremse gezogen hätte. Er verstärkt Emotionen, enthemmt, macht uns aggressiver und risikofreudiger – und er kann im schlimmsten Fall sogar die Gewaltbereitschaft steigern.

Das sagen Kriminalstatistiken und Studien

„Belastung Dritter durch alkoholbedingte Schäden“ – klingt kompliziert, ist aber eigentlich ganz einfach: Alkohol schadet nicht nur der trinkenden Person selbst, sondern oft auch dem Umfeld. Man könnte es auch als „Passivtrinken“ bezeichnen, vergleichbar mit dem Passivrauchen. Trinken in der Schwangerschaft, durch Alkohol verursachte Autounfälle und Gewalt in der Partnerschaft sind Beispiele, wie Alkohol auch anderen, oft unbeteiligten Menschen schadet. So waren laut Kriminalstatistik bei fast einem Viertel aller Fälle von Partnerschaftsgewalt die Täter:innen alkoholisiert. Die Opfer sind in der Regel Frauen. Wie sehr Alkohol unsere Grenzen verschiebt und was Studien dazu zeigen, darüber hat Nathalie ausführlich mit Kim Hoss und Lise van Wersch von „The Sirens Collective“ gesprochen. Das ist eine Plattform, die sich an Opfer sexualisierter Gewalt richtet. Ein Podcast gehört auch dazu, und wenn Dich das Thema interessiert oder sogar betrifft: Hier geht’s zur Folge mit Nathalie, Kim und Lise.

Die gute Nachricht ist: Es gibt Möglichkeiten, etwas zu verändern – und zwar nicht nur auf individueller Ebene. Schon kleine Einschränkungen in der Verfügbarkeit von Alkohol können viel bewirken – das zeigt eine australische Studie. In der Innenstadt von Newcastle wurden mehrere Maßnahmen eingeführt, um nächtlichen Alkoholkonsum zu begrenzen. Beispielsweise haben Bars statt um 5:00 Uhr bereits um 3:30 Uhr geschlossen, und ab 1:30 Uhr durften keine neuen Gäste mehr rein. Das Ergebnis: Innerhalb von knapp zwölf Jahren nach Einführung dieser Maßnahmen gingen die Fälle häuslicher Gewalt dort um fast ein Drittel zurück. Krass, oder? Ich finde, das ist mal wieder ein verdammt starkes Argument dafür, die Verfügbarkeit von Alkohol auch bei uns stärker zu regulieren.

Verantwortung übernehmen

Was mir total wichtig ist: Ein Alkoholproblem zu haben, sagt nichts darüber aus, was für ein Mensch Du bist. Alkohol verändert Dich. Er kann eine Version von Dir erschaffen, die nicht mehr viel mit Deinem eigentlichen Wesen und Deinen Werten gemeinsam hat. Damit möchte ich selbstverständlich Täter:innen nicht aus ihrer Verantwortung nehmen – im Gegenteil. Es geht genau darum, für die eigenen Worte, das eigene Verhalten und auch den eigenen Konsum Verantwortung zu übernehmen. Und das kann heißen, eine klare Entscheidung zu treffen und dem Alkohol endgültig adieu zu sagen.

Nathalies aktuelles YouTube-Video könnte Dich bei dieser Entscheidung unterstützen. Du bekommst darin drei Tipps, die Dir helfen können, Dich für ein Leben ohne Alkohol zu entscheiden. Außerdem spricht sie dort über spannende Ergebnisse aus ihrer Umfrage mit über 4.500 Teilnehmenden. Ich bin mir sicher, dass Du Dir hier eine extra Portion Motivation abholen kannst – auch dann, wenn Du schon nüchtern lebst und Dich fragst, wie Du langfristig dranbleiben kannst. Mir hat es auf jeden Fall total Spaß gemacht, an dem Video mitzuarbeiten und ich würde mich freuen, wenn Du’s Dir ansiehst. Zum Video geht’s hier entlang.


Falls Du selbst von Gewalt betroffen warst oder bist und nicht weißt, an wen Du Dich wenden sollst: Etwas weiter unten haben wir Dir Angebote aufgelistet, bei denen Du Unterstützung finden kannst.

Wenn Du mit dem Trinken aufhören willst und gerade keine Ahnung hast, wie das gehen soll, schau Dir mal mein Programm „Die ersten 30 Tage ohne Alkohol“ an. Es wäre mir eine Freude, Dich auf Deinem Weg in ein zufriedenes, nüchternes Leben zu begleiten. Wenn Du schon eine Weile ohne Alkohol lebst und Dir Unterstützung dabei wünschst, langfristig nüchtern zu bleiben und das als echten Gewinn zu empfinden, dann empfehle ich Dir mein zweites Programm „Abstinenz stabilisieren„.

Du bist nicht allein und Du kannst das schaffen. Alles Liebe für Dich, auch von Rosa.



Weiterführende Hilfsangebote

Falls Du als Frau von Gewalt betroffen warst oder bist, dann kannst Du Dich bei dem Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ melden. Hier erreichst Du immer jemanden – 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr. Das Angebot ist anonym und kostenlos.

  • Telefon: 116 016
  • Außerdem gibt es eine Online-Beratung und einen Sofort-Chat (dieser steht Dir täglich von 12:00-20:00 Uhr zur Verfügung).

Wenn Du als Mann Gewalt erleben musst oder musstest, dann kannst Du Dich an das Hilfetelefon „Gewalt an Männern“ wenden. 

  • Telefon: 0800 1239900
  • Zum Chat und der Mailberatung kommst Du über die Website. Dort findest Du auch die Öffnungszeiten der verschiedenen Angebote.

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