fbpx

06.03.2023

Hinter der Fassade

Laut einer aktuellen Studie der AOK Nordwest sind in Westfalen-Lippe die Tage, an denen Menschen wegen ihres Alkoholkonsums bei der Arbeit fehlten, im Jahr 2022 um ganze 25% angestiegen. Der gleiche Anstieg zeigt sich in Schleswig-Holstein. Und auch im Rest des Landes dürfte es ähnlich aussehen. Eine meiner Mitarbeiterinnen hat bei der AOK Nordwest angerufen und nachgefragt, woran das liegt. Eine Begründung: Diejenigen, die während der Corona-Einschränkungen mehr getrunken haben, fielen nun, da sie aus dem Homeoffice zum Arbeitsplatz zurückgekehrt waren, stärker auf.

Ich habe diese Zahlen gelesen und mich erschrocken. Nicht nur, weil hinter diesem sprunghaften Anstieg von 25% unzählige Leidensgeschichten stecken. Ich betrachte diese Zahl noch vor einem ganz anderen Hintergrund: Die meisten Menschen, mit denen ich spreche, „funktionieren“ bei der Arbeit noch sehr, sehr lang. Laut einer wissenschaftlichen Umfrage, die ich selbst unter OAmN-Nutzern durchgeführt habe, waren rund 98% der Betroffenen während ihrer Alkoholzeit berufstätig. Davon gaben über drei Viertel an, noch „sehr gut“ oder „gut“ funktioniert zu haben. Das sind natürlich subjektive Einschätzungen, aber sie verdeutlichen, wie lange Beruf und Alkoholproblem noch parallel laufen können. Viele Betroffene stecken den letzten Rest Energie in ihre Arbeit, weil die Arbeit noch immer einen Hauch von Normalität und Stabilität zu vermitteln scheint. Heißt meiner Interpretation zufolge: Bis Betroffene bei der Arbeit mal fehlen, muss schon wirklich viel passieren.

Ein Beispiel dafür ist mein aktueller Podcastgast Jule. Sie schleppte sich sogar noch zur Arbeit, als sie nach einer schmerzhaften Trennung allein war mit Essstörung, Alkoholproblem und zwei kleinen Kindern. Jules Geschichte verdeutlicht, was für eine Wahnsinnskraft Abhängige entwickeln können, wenn es darum geht, genau diese Abhängigkeit zu vertuschen. Und sie verdeutlicht, wie viel besser man diese Kraft einsetzen kann, nämlich für den Weg in ein nüchternes, gesundes Leben. Die Podcastfolge findest Du hier.

Und falls Du eher Lust auf ein Video hast: Vor kurzem habe ich auch mit Mimi (früher: Mimi Fiedler) über das Leben hinter der Fassade gesprochen – und über den langen Weg zur Wahrhaftigkeit. Das Video findest Du hier.


Was Dich auch interessieren könnte:

Wie bedenklich ist Dein Trinkverhalten?

Nach diesem kurzen Test kannst Du besser einschätzen, in welchem Bereich Du Dich mit Deinem Trinkverhalten bewegst.