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07.03.2022

Ina: „Denke jeden Morgen: YES!“

In den ersten nüchternen Wochen fühlt es sich für manche so an, als schwebten sie auf einer rosaroten Wolke. Die positiven Auswirkungen scheinen sich zu überschlagen. Der Körper so erholt! Das Innere so friedlich! Das Leben so lebenswert! Bäm! Wahnsinn! Lass das nie vergehen!

Oder doch? Ja, doch. Weil das, was nach diesem Anfangshigh kommt, auch wunderschön ist. Ein bisschen wie bei einer guten Partnerschaft. Aufs erste Verliebtsein folgt die Liebe. Die ist nicht mehr so laut und dauerpräsent und supersupersuper. Sie ist eher wie eine warme Decke, ein stabiles Fundament, das uns wärmt und trägt. Das unser Leben bereichert, ohne sich dabei ständig in den Vordergrund zu drängen.

Wie sich das in Hinblick auf Abstinenz anfühlen kann, dazu möchte ich gern ein paar meiner Programmteilnehmer und -teilnehmerinnen zu Wort kommen lassen:


Rund ein Jahr nüchtern – wie fühlt sich das an?

Bianca

Heute 300 Tage an Rosenmontag! Was ich im Moment fühle, ist GLÜCKFREUDELEBEN und ganz viel Respekt. Respekt meinem Körper gegenüber, und ich habe ihm versprochen, ihn mit mehr Respekt zu behandeln. Ich werde ihm nichts mehr antun, ihn lieben und gut behandeln! Ich fühle Achtung vor meiner Familie. Auch sie werde ich gut behandeln, denn ich bekomme sehr viel Liebe von ihnen zurück. Was ich immer noch jeden Tag erarbeiten muss, ist Vertrauen in mich, mir Ruhe zu gönnen, mir Zeir zu nehmen und “stopp” zu sagen, wenn es zuviel wird. Was ich weiß, ist:

Dass ich mittlerweile Ausschlafen mehr liebe als alles andere. Dass Kaffee reicht – oder ein anderes schönes Getränk, z.B Eiswasser mit Zitrone zum „Feiern, Belohnen oder zum Chillen“. Dass Sport gar nicht so schlimm ist. Und dass Stimmungsschwankungen nicht heilbar sind, denn sie kommen immer wieder.

So ihr Lieben, wir halten weiter zusammen, und alles wird gut – ich glaube da fest dran!

Wolfram

Ich bin fast 60 Jahre alt, habe seit meiner Jugend regelmäßig Alkohol getrunken. Ich war immer eher zurückhaltend schüchtern, nehme das Leben schwer, sehe eher die Risiken und nicht die Chancen. Der Alkohol hat mir vermeintlich geholfen, etwas mehr Leichtigkeit in mein Leben zu bringen. Im Nachhinein war das natürlich sehr teuer erkauft. Ich gehöre leider nicht zur „Rosa-Wolke-Fraktion“, trotzdem hat es sich gelohnt und ich bleibe auf jeden Fall bei meinem neuen Lebensstil ohne Alkohol: Mein Schlaf ist fantastisch, kein Vergleich zu früher. Jetzt, nach einem Jahr, scheint mein Stoffwechsel langsam zu heilen, ich nehme langsam aber sicher Gewicht ab. Ich habe eine Lohnerhöhung bekommen. Meine Finanzen wenden sich langsam zum Guten. Ich bleibe endlich dran an bestimmten Themen, so spiele ich wieder regelmäßig Klavier, was ich mir jahrelang vergeblich vorgenommen hatte. Ich habe keine Panikattacken mehr, bei Problemen ist in mir das Gefühl: irgendwie krieg ich das hin. Ich führe keine sinnlosen Streits mehr, dafür sage ich öfter konstruktiv meine Meinung. Das gefällt auch nicht jedem, aber ich fühle mich wohl dabei. Wie gesagt keine rosa Wolke, aber ich bin viel mehr ausgeglichen und insgesamt positiver gestimmt. Es lohnt sich auf jeden Fall!

Ina

Ich bin heute 454 Tage nüchtern, oder auch: 1 Jahr, 2 Monate und 28 Tage. Und es ist so wahnsinnig befriedigend! Ich versuche es mal in Worte zu fassen:

Noch immer wache ich jeden Morgen auf und denke: YES! Nüchtern und klar kannst Du in den Tag starten. Früher habe ich bis Mittag gebraucht. Jeden Morgen trinke ich meinen Kaffee und freue mich, dass eine Tasse vollkommen ausreichend ist. Früher brauchte ich mindestens drei und war immer noch neben der Spur.
Heute gehe ich ruhig mein Tagwerk an, schaffe nicht so viel, wie ich mir vornehme, bin aber durchaus sehr fleißig und produktiv. Früher bin ich völlig unstrukturiert in den Tag, hab hier ein bisschen und da ein bisschen und am Ende des Tages so gut wie nichts geschafft.
Heute bin ich abends angenehm erschöpft, gehe müde zu Bett und schlafe, unterbrochen von einer Pipi-Pause (da literweise Tee) durch! Und zwar tief und fest. Früher schlief ich wie ein Stein ein und lag spätestens zwei Stunden später nurmehr in einem unruhigen Schlaf bzw. sogar wach. Ich habe kein Sodbrennen mehr! Null! Nada! Alles weg! Das ist sooooooo herrlich! Was hab ich mich früher damit rumgequält…

Alles in allem bin ich viel ruhiger und ausgeglichener geworden. Verspüre nicht mehr das Gefühl, dass mir die Kopfhaut spannt, habe nicht mehr ständig das Gefühl, etwas vergessen zu haben, sehe viele Dinge mit einer Gelassenheit, die mich staunen lässt! Ich bin in einem Kokon aus Wärme, Zuversicht, Zufriedenheit und Harmonie eingehüllt und das ist so, so unbezahlbar und auch nach 454 Tagen für mich jeden Morgen ein Wunder!


Das sind alles Worte von Menschen, die ebenfalls mal dachten, dass es ohne Alkohol schlechter sei. Sichtweisen können sich ändern. Empfindungen auch. Und mit den Sichtweisen und Gefühlen ändern sich dann nach und nach auch Leben.

Auch in meiner aktuellen Podcastfolge spreche ich über diese “Langzeitabstinenz” – und zwar mit dem wunderbaren Daniel Schreiber. Daniel lebt nun schon seit über zehn Jahren nüchtern. Welche Erfahrungen er in dieser Zeit gesammelt hat und was er tut, um langfristig zufrieden mit seiner Abstinenz zu leben, kannst Du Dir hier anhören.


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