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14.02.2022

Endlich da! Update aus der OAmN-Wissenschaft

Im vergangenen Jahr habe ich ja zusammen mit Prof. Michael Soyka und Prof. Andreas Franke meine erste wissenschaftliche Umfrage durchgeführt. Dazu möchte ich Dir ein Update geben – verbunden mit dem Hinweis, dass es heute auch vom Schreibstil her mal etwas wissenschaftlicher wird. 🙂

Darum ging’s

Ziel der Umfrage war es, herauszufinden, ob ich mit den Online-Angeboten von OAmN Menschen erreiche, die im etablierten Suchthilfesystem nicht aufschlagen. Hintergrund ist folgender: Laut dem aktuellen Jahrbuch Sucht betrinken sich allein in Deutschland rund 12,7 Millionen Menschen mindestens einmal im Monat. Rund 6,7 Millionen trinken fast jeden Abend mehr als ein Glas. Rund 1,6 Millionen Menschen sind hierzulande abhängig von Alkohol. Und rund 1,4 Millionen fügen sich durch ihren Alkoholkonsum bereits nachweislich Schaden zu.

 

Das ist Wahnsinn, und dieser Wahnsinn hat Folgen. Auf individueller Ebene führt er zu etlichen psychischen und physischen Krankheiten, die durch Abstinenz verhindert werden könnten. Auf volkswirtschaftlicher Ebene führt er zu einem jährlich wachsenden – und ebenfalls vermeidbaren – Milliardenschaden. Dennoch erreichen die aktuellen Therapieangebote hierzulande gerade einmal 10% der Alkoholabhängigen. „Alkoholkranke Menschen sehen sich oft erst nach vielen Jahren der Abhängigkeit dazu veranlasst, sich in Behandlung zu begeben“, heißt es in einem Bundesgesundheitsblatt.

 

Noch schlechter sieht es bei jenen aus, die sich auf dem Weg in eine Alkoholabhängigkeit befinden. „Insbesondere in den Bereichen der Früherkennung und Frühintervention besteht für Menschen mit alkoholbezogenen Störungen bislang eine deutliche Unterversorgung“, heißt es dort weiter. Eine Erklärung dafür findet sich in der aktuellen S3-Leitlinie. Das ist ein Dokument, in dem Fachleute Empfehlungen zur Erkennung, Diagnosestellung und Behandlung von Menschen mit Alkoholproblem geben. Dort heißt es: „Die genannte Unterversorgung geht allerdings nur zum Teil auf die oben schon angesprochenen Defizite auf der Angebotsseite zurück. Viele Betroffene sind unsicher und schrecken gerade zu Beginn einer Abhängigkeit vor dem Aufsuchen einer Beratung und Behandlung zurück.“

 

Es wird deutlich: Die große Mehrheit jener, die gefährlich, schädlich oder abhängig trinken, schlägt im Suchthilfesystem nicht auf. Es braucht also niederschwelligere Angebote, die die Menschen in ihrem Alltag erreichen und unterstützen.

 

Und hier kommt OAmN ins Spiel

 

Denn dafür bin ich ja bekanntlich angetreten. Und meine Umfrage zeigt, dass ich erreiche, wen ich erreiche möchte: Betroffene im Graubereich zwischen Genusstrinken und körperlicher Abhängigkeit. Ich habe die Daten vor ein paar Wochen fertig ausgewertet und möchte heute mal die zentralen Ergebnisse mit Dir teilen.

 

Insgesamt haben 2022 Menschen bei der anonymen Umfrage mitgemacht.

 

84,3% gaben an, selbst ein Alkoholproblem zu haben oder es gehabt zu haben. Getrunken haben sie vor allem, um Stress abzubauen – dicht gefolgt von „um mich zu belohnen“ und „um meine Stimmung zu verbessern“. Die wenigsten tranken, „um einzuschlafen“, „um dazuzugehören“ oder „um körperliche Schmerzen zu lindern“. Die Teilnehmenden konnten hier mehrere Antworten anklicken.

 

 

 

Diese Zahlen zeigen zum einen, dass ich die Zielgruppe der Betroffenen erreiche. Bei den Gründen für den Alkoholkonsum hat mich persönlich überrascht, dass „um mich zu belohnen“ so weit vorn liegt – und „um dazuzugehören“ so weit hinten.

 

Was dann folgte, hat mich nicht überrascht, sind aber Zahlen, die vor dem Hintergrund meiner Einleitung sehr interessant sind:

 

Bei nur 17,7% der Betroffenen lag eine ärztliche oder therapeutische Diagnose über eine Alkoholabhängigkeit vor. Heißt: bei 81,3% nicht. Zudem gaben 69% der Betroffenen an, über keinerlei Therapie-Erfahrung zu verfügen.

 

Gleichzeitig haben aber bereits 85,5% der Betroffenen zum Zeitpunkt der Befragung aufgehört zu trinken – die meisten davon mit Hilfe meiner Angebote. Das entspricht 48,8% der Antworten, wobei eine Mehrfachnennung natürlich möglich war.

 

 

 

 

Von denen, die es mit Hilfe von OAmN geschafft haben, beanspruchten 12,6% noch weitere Hilfsangebote. 7,6% nahmen zusätzlich ärztliche und/oder therapeutische Hilfe in Anspruch, 3,4% besuchten zusätzlich eine Selbsthilfegruppe. 1,5% haben durch OAmN angefangen mit dem Trinken aufzuhören, würden von sich aber noch nicht sagen, es geschafft zu haben.

 

In der Gruppe jener, die bereits abstinent leben, haben wir im Anschluss noch Fragen gestellt, die Aufschluss über Umfeld und Funktionsfähigkeit der Betroffenen geben. Und da kam noch Folgendes raus:

 

36,7% sind zu Alkoholzeiten nicht auf ihr Alkoholproblem angesprochen worden. Sage und schreibe 97,5% waren mit Alkoholproblem berufstätig – und über drei Viertel davon würden sagen, dass sie „gut“ oder „sehr gut“ funktioniert haben – genauer gesagt 34,3% „sehr gut“ und 43,2% „gut“. Nur 0,4% beurteilten ihre berufliche Funktionsfähigkeit als „mangelhaft“ bzw. 1,8% mit „ungenügend“.

 

Die Umfrage zeigt also, dass ich Menschen im Graubereich erreiche. Menschen, die trotz Alkoholproblem beruflich noch funktionieren und oft nicht einmal vom nächsten Umfeld auf ihr Trinkverhalten angesprochen werden. Menschen, die sich über das problematische Ausmaß ihres Konsums aber bewusst sind, die eine hohe Bereitschaft aufweisen, ihr Problem anzugehen – dazu aber größtenteils nicht die Angebote des etablierten Suchthilfesystems nutzen. OAmN kann hier zum einen als Brücke dienen. Und zum anderen als ergänzendes Angebot, um Hürden abzubauen, aufzuklären und frühzeitig zu helfen.

Das eigentliche Paper reichen wir bald ein, was mich echt stolz macht. Außerdem habe ich durch die Zeit, die ich mit der Auswertung verbracht habe, bemerkt, wie viel Spaß mir wissenschaftliches Arbeiten macht. Ich werde da dranbleiben und Dich weiterhin auf dem Laufenden halten. Weitere Umfragen folgen sicher auch. 🙂


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