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22.11.2021

Katarina: „Ich greife zum Pinsel statt zur Flasche“

Meine Podcasthörerin Katarina hatte das Gefühl, in einer Sackgasse gelandet zu sein – trotz langjähriger Gesprächstherapie. Weil sie keine Worte fand für das, was in ihr vorging.

Und da Sprechen nicht half, begann sie zu malen, was da in ihr war. Ich darf heute eines ihrer Bilder und ihre Geschichte dazu mit Dir teilen.


Katarina

Noch nie hatte ich zuvor ernsthaft und sonderlich gut gemalt. Doch nun öffnete sich ein riesengroßes Fass in mir, das ich nun mit Hilfe von Pinsel und Farbe auf das Papier bringen konnte. All die Themen schwappten nun aus meinem Unterbewusstsein aufs Papier, und ich malte fast im Akkord Bilder. Pro Bild brauchte ich nicht länger als zwei Minuten, so dringend wollte alles raus.

Nun sprach ich mit dem Therapeuten über die Bilder, nicht mehr von mir. Diese gedankliche Umkehrung half mir über mein Trauma in der Kindheit und all die Ängste, Zwänge usw. zu sprechen, die mich so sehr einengten, dass ich zum psychischen Wrack wurde.

Eines Tages malte ich folgendes Bild.

Ein Weinglas – und ein kleines Mädchen droht hineinzufallen. Als ich es allein zu Hause aus einem Impuls heraus malte, legte ich es beiseite, wie so oft mit meinen Bildern. Ich schaute es mir erst Wochen später wieder bei meinem Therapeuten an. Der fragte mich: „Haben Sie ein Problem mit Alkohol?“ Ich antwortete: „Nein, auf keinen Fall!“ Natürlich nicht…

Einige Wochen später begann ich zu reflektieren. Vielleicht hatte ich doch ein Problem mit Alkohol? Und zwar ein nicht allzu unbedeutendes.

Denn was ich bislang im Unterbewusstsein erfolgreich verdrängt und vergraben habe, war nun auf dem Papier. Ich ertränkte mein inneres kleines Kind in Alkohol. Wann immer ich an meine doofen Erfahrungen aus der Kindheit erinnert wurde, griff ich zur Flasche und trank einen drauf. Und danach wurde alles immer noch viel schlimmer. Am nächsten Tag war die Erinnerung nicht weg, der Kater da und meine Psyche noch anfälliger. Also griff ich erneut zum Glas, um alles „wegzutrinken“. Half nie. Die Auslöser, die Scham, die Schuldgefühle – alles wurde immer schlimmer. Dieser Mechanismus war mir nie bewusst.

Mittlerweile erkenne ich ihn. Und ich habe gelernt, mir in solchen Situationen folgende Frage zu stellen: was passiert, wenn ich diese Flasche nicht trinke? Das hilft mir, darüber nachzudenken und die Frage eigentlich immer zu beantworten mit:

Ich bin noch fahrtüchtig, wenn mit meinem Sohn etwas passiert.
Ich trinke dann keine zweite.
Ich bin morgen psychisch stabil.
Ich kriege keine Alpträume.
Ich denke weniger an doofe Erfahrungen aus der Kindheit.
Ich kriege übermorgen keine Migräne.
Ich rutsche überübermorgen in keine Depression, die wochenlang andauert und in noch mehr Alkohol mündet.

Und spätestens wenn ich am Ende der Aufzählung angelangt bin, weiß ich: Es lohnt sich nicht. Dann weiß ich auch: Ich greife lieber zum Pinsel als zur Flasche und male auf, was das kleine innere Mädchen mir sagen will. Was scheint für sie gerade so ausweglos, dass sie es einfach nicht anders äußern kann? Und mit dem Bild gehe ich dann zu meiner Therapeutin.


Was mich an Katarinas Bild total geflasht hat: Der Faden, der das kleine Mädchen zum Glas führt, ist um ihren Hals gebunden. Als würde sie ersticken. Als würde sie verstummen.

Ich bin so froh, dass sie einen Weg gefunden hat, zu reden. Denn reden ist so wichtig. Darüber reden, was uns quält, damit es uns nicht länger quält. Damit wir Lösungen finden.

Vielleicht inspiriert Dich Katarinas Geschichte ja dazu, es auch mal anders zu probieren, wenn ‘nur’ reden Dir schwerfällt.


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