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08.11.2021

Ines: „So viele glückliche Zufälle“

Wenn wir aufhören zu trinken, ändert sich unsere Wahrnehmung. Wir können plötzlich wieder Dinge sehen, für die wir betrunken keinen Blick mehr hatten. Kleine Freundlichkeiten, liebevolle Gesten, glückliche Zufälle.

Meine Programmteilnehmerin Ines hat auf Facebook gepostet, wie krass sich diese innere Verändung auf ihr Leben ausgewirkt hat. Ich freue mich, ihre Geschichte hier mit Dir teilen zu dürfen.


Ines

Als ich noch getrunken habe, bin ich in einer Spirale aus Verzweiflung und Selbstmitleid versunken. Mein Leben schien nur noch aus unzähligen Überstunden, der Sorge um meinen kranken Hund, finanzieller Not und Angst vor Jobverlust zu bestehen. Ich habe mehrfach versucht, mit dem Trinken aufzuhören und bin jedesmal gescheitert. Damit war mein Selbstwertgefühl gänzlich auf dem Nullpunkt. Und mein Leben auf dem besten Weg, gegen den Baum zu knallen.

Die Reißleine habe ich schlussendlich mit OAmN gezogen. Was daraufhin in meinem ersten nüchternen Monat alles passiert ist, würde ich als einen Traum beschreiben, aus dem ich nie wieder aufwachen möchte. Ich habe gelernt, auf mich zu achten. Ich habe soviel Hoffnung und so viele gute Denkanstöße bekommen, dass ich an jedem der vergangenen Tage kleine Dinge der Veränderung in mir und meinem neuen Alltag feststellen konnte. Mit viel Geduld wuchs jeden Tag der Glaube daran, dass ich es schaffen kann und will.

Ich möchte kurz hinzufügen, dass ich durchaus nicht dauerhaft auf einer Glückswolke schwebe, seitdem ich nüchtern bin. Es gab einige Tage, an denen ich durchaus gereizt war; es gab viele Tage, an denen ich auch nicht das Bedürfnis hatte, mit anderen Menschen Gespräche zu führen, geschweige denn grinsend durch die Berliner Innenstadt und U-Bahn-Schächte zu laufen. Aber alle Emotionen habe ich als Teil meines Heilungsprozesses anerkannt und dem Ganzen Zeit gegeben, sich zu entfalten. Ich bin nicht spirituell, mir fehlen aber so langsam trotzdem die Worte für die Kettenreaktionen der letzten 36 Tage. Fügung? Glück? Hier ein paar Beispiele:

Ich habe mich – frisch nüchtern – dazu entschieden, mich zum Blutspenden anzumelden. Resultat war, dass ich kein Blut spenden darf…! Haha. Aber zumindest stellte die nette Dame am Empfang fest, dass genau am Tag der Anmeldung mein Personalausweis ausgelaufen ist. Glück gehabt – damit wäre ich sonst noch weitere unbestimmte Zeit durch die Welt gelaufen. Wer in Berlin lebt, weiß allerdings auch, wie lange es dauert, einen Termin beim Bürgeramt zu ergattern. Nächstmöglicher Zeitpunkt: in zwei Monaten. Autsch!! Da mein neues “nüchternes Ich” aber am Montagmorgen früh genug aus dem Bett kam, um den Terminkalender des Amtes noch einmal zu checken, konnte ich mir unverhofft doch einen Termin innerhalb von einer Woche ergattern – schon wieder Glück gehabt!

Moment, ich brauche ja noch ein Foto für den Perso. Mein neues „nüchternes Ich“ ist noch am selben Tag zum Fotografen gegangen. Dort durfte ich ein Los ziehen – völlig emotionslos, denn ich habe sowieso noch nie etwas gewonnen. Freigerubbelt kommt zuhause dann aber ein gratis Fotoshooting zum Vorschein – huch? Ok! Schon wieder Glück gehabt! Aber eigentlich egal, denn ich brauch ja keins. MOMENT! Mein neues „nüchternes Ich“ erinnert sich plötzlich daran, dass ich mir seit Ewigkeiten ein Fotoshooting mit meinem 13jährigen Hund wünsche – und was für ein Glück: der Fotograf bietet das auch noch an! Termin wurde sofort vereinbart. Apropros Hund: Wieso hat mir meine Freundin eigentlich grade jetzt angeboten, dass sie sich mal um ihn kümmert, damit ich auch mal einen kleinen Urlaub machen kann?

Es war bestimmt auch nur Zufall, dass ich in der vergangenen Woche zweimal meine Haustür betreten habe, BEVOR es eine Sekunde später zu schütten anfing. Ganz sicher ist es auch nur Zufall, dass ich kurz davor war, zu spät zur Arbeit zu kommen… (und an dieser Stelle schwöre ich, dass ich nicht auf diesen U-Bahn-Wagen zugerast bin, um dem Fahrer zu verdeutlichen, dass mein Leben genau von dieser Mitfahrt abhängt, bevor die nächste Bahn in drei Minuten kommt). Betont gelassen ging ich also auf die sich schließenden U-Bahn-Türen zu. Die BVG – die sich sonst einen Spaß daraus macht, Menschen vor dem großen Zeh davon zu fahren – machte mir die Tür plötzlich wieder auf. Vielleicht ein technischer Fehler? Egal – für einen Moment lang hielt ich mich heimlich für einen Glückspilz!

Aber wenigstens über die Tatsache, dass ich heute zum ersten Mal seit langer Zeit (ganz ohne Diät) wieder in mein schönes Etuikleid reingepasst habe, kann ich mich ja aktiv freuen, ohne verrückt zu wirken?! Oder über die Tatsache, dass ich zwar kein Blut spenden darf, aber dafür Blutplasma. Und dass ich dafür sogar eine gar nicht mal so kleine Aufwandsentschädigung erhalte, die mir nun dabei hilft, meinen neuen „Ich-spar-mich-raus-aus-den-Schulden-Plan“ umzusetzen. Puh! Ganz schön viele glückliche Fügungen auf einmal in so kurzer Zeit.

Richtig stolz bin ich aber auf jeden Fall darauf, dass meine Abstinenz nun meine Priorität ist. Ich bin zwar immer noch fleißig, mache aber keine unbezahlten Überstunden mehr. Und plötzlich heute der Oberknaller: Meine Chefin bittet mich zu einem Gespräch. Ich bin erstmal erschrocken, bereit für demütige Begründungen. Aber sie verkündet mir, dass die Arbeit aus dem Home Office sehr gut funktioniert, und dass ich jederzeit zu ihr kommen kann, wenn ich mehr Zeit zuhause bei meinem kranken Hund brauche. Und ich soll ihr bitte Bescheid sagen, wenn ich etwas brauche, z.B einen Bürostuhl oder großen Bildschirm, damit ich bequem arbeiten kann.

Wieder zuhause angekommen habe ich eine sehr gute Freundin angerufen und ihr erzählt, was ich in den letzten Wochen erlebt habe. Ich wusste überhaupt nicht mehr wohin mit mir. Wie kann das bitte alles auf einmal passieren??


Cool, oder? Als ich das gelesen habe, ist mir aufgefallen, dass mein letztes YouTube-Video – rein zufällig, haha – genau zu Ines’ Geschichte passt. Ich erkläre darin, was ein „Keystone Habit” ist. Wenn Du wissen willst, was es damit auf sich hat, dann bitte hier entlang.


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