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01.11.2021

Katrin: „Ob Bordeaux oder Heroin ist dem Hirn egal“

Brauchst Du noch ein bisschen Motivation zum Wochenstart? Sehr gern. Hier kommen neue Antworten auf die Frage:


Warum wolltest Du aufhören zu trinken?

Andrea

Weil ich seit Jahren vor allem zwei Dinge getan habe: funktionieren und trinken. Wenn ich ganz, ganz ehrlich zu mir bin, seit ungefähr 30 Jahren. Dieser falsche Freund, dieser schreckliche Tröster, der alles erträglicher zu machen scheint – und dabei doch alles aufweicht und zerstört. Der mich verändert hat. Der mich ängstlich gemacht und mir die Anteilnahme geraubt hat. Anteilnahme am Leben anderer, am Leben meiner Liebsten. Weil er mir meine Gesundheit genommen hat. Meine körperliche, vor allem aber meine seelische. Mich abgestumpft und gleichgültig gemacht hat. Hauptsache, ich komme zu meinem Prosecco, zu meinem Bier, zu meinem Wein. Weil er meine Gedanken und mein Leben beherrschte und sich zwischen alles gestellt hat: zwischen mich und die Welt, zwischen mich und andere Menschen, zwischen mich und mein Leben. Zwischen mich und mich. Er hat meine Interessen aufgefressen und mein Gedächtnis ausgelöscht. Ich werde nicht mehr trinken, weil ein Leben ohne Alkohol ein sehr viel besseres, lebendigeres und klareres ist.

Daniela

Ich weiß noch, wie ich mich nicht getraut habe, überhaupt Alkoholproblem oder Alkoholiker zu googeln… das war so unheimlich schwer. Und ich war der festen Überzeugung, dass ich alleine bin. Dass niemand so erbärmlich und schwach ist, wie ich es bin. Dieses Gefühl, diesen Bereich nicht wirklich kontrollieren zu können, war schrecklich.

Mittlerweile weiß ich, dass ich nicht alleine bin. Dass es ganz viele Seelen da draußen gibt, die Gleiches erlebt haben oder leider noch erleben. Und dass das alles der „ganz normale“ Kreislauf dieser schrecklichen Substanz, dem Alkohol ist. Ich durfte erkennen, dass es vielen Menschen – eben auch gerade Frauen – geht wie mir: Erfolgsdruck, Familie, Ehrenamt, etc etc etc. Viele vermeintliche Gründe, sich entspannen zu müssen. Der Abend mit meiner Flasche Wein war meine „Belohnung“ für all den Stress, für all die Arbeit über den ganzen Tag. Am nächsten Tag die Ernüchterung: Kopfschmerzen, bleiernde Schwere des Körpers – aber vor allem Schwere der Psyche und der Seele. Ein teuflischer Kreis! Und nun bin ich sooooo frei, so glücklich, ausgeglichen und unendlich dankbar dafür!

Manuel

Ich wusste schon lange, dass mein Konsum problematisch war: fast täglich ein Feierabendbier. Dazu noch eines, welches ich heimlich im Keller trank, damit meine Frau das nicht mitbekam. Schon diese Heimlichkeit hätte ein grosses Alarmzeichen sein müssen, aber man rutscht da so rein.
Mittlerweile hat es bei mir auch so richtig Klick gemacht. Seit ich weiß, dass ich NIE WIEDER Alkohol trinken will, fühle ich mich irrsinnig befreit. Ich fühle mich so frei, als wäre eine Last von meinen Schultern genommen worden. Denn auch wenn ich nicht „viel” getrunken habe, war das Drumherum doch eine Qual. Ich genieße nun alle Vorteile des nüchternen Lebens: Mehr Zuversicht, mehr Vertrauen, mehr Geduld mit den Kindern. Ich habe keinen Kater, bin körperlich viel besser aufgestellt, der Alkohol bestimmt nicht mehr mein Leben.

Katrin

Meine Sucht sehe ich so, als ob ein Teil von mir in einer kindlichen Haltung verharrte. Denn nur Kleinkinder brauchen die direkte Lösung ihrer Wehwechen, Hunger, Müdigkeit, Einsamkeit. Das Fläschchen buchstäblich schnell zur Hand, weil ich meine Bedürfnisse nicht anders stillen konnte und lieber den bequemen Weg gegangen bin. Schnell verfügbar, billig, wirkt sofort… die Rechnung kommt dann später. Und wie! Was mich das gekostet hat – soviel Scham, Selbsthass, das Offensichtliche leugnen, meine müden Augen im Spiegel. Ich konnte nicht mal meinem Mann erzählen, wie schlimm es um mich stand. Ich hatte so Angst, mich vor die Wand zu fahren.

Durch das ganze Wissen, was ich mittlerweile erlangt habe, habe ich plötzlich klar gesehen und verstanden. Diesen Mechanismus auf einmal durchschaut. Und ab da war es kein schrecklicher Gedanke mehr, nie wieder zu trinken. Warum soll das schrecklich sein? Die Gesellschaft trägt die teuren Weine auf dem Tablett der Hochkultur, doch unserem Gehirn ist es egal, ob es Bordeaux 1989 oder Heroin ist. Findet ihr das krass? Ja, das ist es auch.


Falls Du mehr Fakten zum Thema Alkoholverharmlosung möchtest: Kürzlich habe ich mit Maik Dünnbier von Movendi International darüber gesprochen, wie die Alkoholindustrie mit Werbung und Marketing dafür sorgt, dass wir es als normal und wünschenswert erachten, Alkohol zu trinken. Zum YouTube-Video geht’s hier lang.

Außerdem war ich zu Gast im Podcast der großartigen Louisa Dellert. Falls Du Dir das anhören möchtest, bitte hier entlang.


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