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05.12.2020

Eine toxische Beziehung

“Eines Tage, Baby, werden wir alt sein, oh Baby, werden wir alt sein und an die Geschichten denken, die wir hätten erzählen können”. So beginnt jene Performance von Julia Engelmann, mit der sie Deutschland vor gut sieben Jahren zeigte, was ein Poetry Slam ist.

Als ich in München war, habe ich mir selbst ein paar davon angeschaut und wenn Corona vorbei ist und meine Kinder größer, dann werde ich das mit Sicherheit wieder tun. Ich mag diese Dichterwettstreits. Nur die Künstler*innen, ihre Texte und das Mikrofon. Reduziert aufs Maximum. Und ja, wenn es so weit ist, dann weiß ich auch schon, wen ich sehen möchte: Elisabeth Schwachulla, meine aktuelle Podcastgästin, die mit ihren Worten so viele meiner Hörer*innen zum Weinen gebracht hat.

Wahrscheinlich, weil so viele von uns nachempfinden können, worüber sie slamt: die toxische Beziehung, die wir zum Alkohol führen oder führten. Dieses kranke Verhältnis, das entsteht, wenn wir ein Problem mit ihm haben, uns aber nicht von ihm trennen wollen. Wenn wir ihm wieder und wieder glauben, dass es dieses Mal anders ist – und es nie stimmt.

Elisabeth hat für ihren Text einen Kunstgriff gewählt: Sie lässt den Alkohol sprechen, ihre “vergangene große Liebe”, wie sie ihn nennt. Der Text heißt „Eine toxische Beziehung“ und er beginnt so:

Am Anfang fragte ich mich, was du wohl von mir willst. Wo du doch schon mit anderem deinen Lebenshunger stillst und so beliebt bist, so bewusst küsst, so, dass man sofort von dir verzückt ist. Wie sollte ich in dein Leben passen? Außer ab und zu am Wochenende mal. Und trotzdem konntest du nicht die Finger von mir lassen, weil ich dir anscheinend einiges gab. Auch deine Freunde haben schnell begriffen, dass du voll gut gelaunt bist wenn du weißt, dass wir uns treffen und deine Augen leuchteten selbstvergessen, bin ich in dein Blickfeld geraten. Doch zwischen Liebe und Besessenheit liegt ein schmaler Grat, denn Selbstvergessenheit kann gefährlich werden. Erst recht wenn man so jung ist wie du. Und doch hatte ich keinen Einfluss auf dein Treiben und sah nur bescheiden dabei zu. Wie du andere Dinge sausen ließest um diese Zeit lieber mit mir zu verbringen, wie du anfingst wenn du mal ohne mich warst nur noch die traurigen Lieder zu singen. Deine Freunde bemerkten es anfangs nicht, strahltest du doch übers ganze Gesicht und sangst und tanztest war ich dabei, alle Sorgen waren dir dann einerlei, jeder Kummer vergessen und der Alltagseinheitsbrei nicht am Glanz unserer Beziehung zu messen. Sie sagten: „Endlich geht sie mal aus sich raus, geht auf Leute zu, geht gern aus dem Haus, ist mal locker und hat Bock, ja – ich glaube, er tut ihr gut. Gibt ihr Entspannung, Zuversicht, Freude und Mut.“
Wie sehr sie sich doch täuschten. Oder täuschtest du sie? Oder dich? Vielleicht gab ich dir anfangs tatsächlich Energie, doch irgendwann fing es an, einfach anders zu werden…


Wenn Du hören möchtest, wie es weitergeht, wie es anders wurde – und vor allem, wie sie “slamt”, also wie sie ihren Text vorträgt, dann bitte Taschentücher raus und hier entlang, zur aktuellen Folge.


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