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31.10.2020

Nüchtern bleiben im Shutdown

Am Montag kommt er nun wieder, der Shutdown. Für viele eine Bewährungsprobe, ein Stresstest für die Abstinenz. Sollte das bei Dir der Fall sein, ich habe heute Morgen mal in meiner OAmN-Gemeinschaft nachgefragt: Wie geht es Euch mit den Maßnahmen? Wie sorgt Ihr dafür, dennoch nüchtern zu bleiben? Oder seid Ihr doppelt dankbar, nicht trinken zu müssen? Hier kommt eine Auswahl an Antworten, z.T. gekürzt. Auf dass sie Dich stärken, inspirieren, trösten und motivieren:
 

Sarah
Ich befinde mich noch am Anfang meiner Abstinenz und nehme gerade dankend jede Möglichkeit wahr, nicht in zwiespältige Situationen zu kommen. Zwar gibt es natürlich weiterhin überall im Laden, an der Tanke etc. Alkohol zu kaufen, doch da ich nicht mehr die üblichen Fahrten zur Arbeit, zum Sport, in die Stadt… antrete, komme ich auch nicht mehr automatisch an meinen „Triggerläden“ vorbei. Ich fahre zum Einkaufen jetzt gezielt los und zwar in einen ganz anderen Laden. Es ist gerade eine willkommene Gelegenheit, viele Routinen zu erneuern. Mir hilft das sehr!

Sabine
Ich hab schon ein paar Mal gedacht, dass mir meine 300tägige 😍 Abstinenz durch Corona sehr viel leichter gefallen ist, weil ich meistens in Gesellschaft getrunken hab. Ich leide aber gedanklich mit allen, die dich in den letzten Monaten so ins Zeug gelegt haben (Restaurant, Hotel, Kultur….) und es nun nochmal so hart trifft…😔 Aber ich versuche auch bei mir zu bleiben, werde die „Mehrzeit“ auch hoffentlich sinnvoll nutzen mit Yoga, Wandern, Musizieren (neue Songs schreiben🍀) und damit, mich weiterhin daran zu erinnern, positiv zu denken 😌. Ich bin unendlich dankbar, dass sich meine Abstinenz so gefestigt hat🙏 und wünsche uns allen, dass wir gesund bleiben und diese Krise für unsere persönliche Entwicklung nutzen können.

Roland
Meine Enkel vermissen es sehr mit anderen Kindern zu spielen, zu feiern usw. Von den ganzen Maßnahmen in der Schule ganz zu schweigen. Meine Enkeltochter (9 Jahre / 4. Klasse) kam gestern ganz aufgelöst und weinend nach Hause, weil sie auf dem Schulhof von ihrer Lehrerin angepfiffen wurde, weil sie in der großen Pause ihren Bruder (7 Jahre / 1. Klasse) mal kurz umarmt hat. Das war sicher nicht der einzige Grund für ihre Traurigkeit, das Ganze summiert sich halt. In diesem Sinne bleibe ich etwas ratlos zurück. Aber ja, ich bin fest der Meinung, nein, ich bin überzeugt davon, daß ich die ganze Situation nur so „gut“ ertrage, weil ich nüchtern bin. Weil ich frei bin und nicht mehr die Probleme lösen muss, die der Alkohol mir Tag für Tag bereitet hat.

Birgit
Ich bin sehr zufrieden und glücklich diese Zeit mit „klarem Kopf“ verbringen zu können. Da ich im Handel tätig bin, geht die Arbeit weiter. Und ich habe das Gefühl durch diese Maßnahmen endlich mal durchatmen zu können. Nach mehreren Todesfällen in der Familie und der Krebserkrankung meines Mannes im letzten Jahr, hilft mir diese „Isolation“ zu heilen. Wir werden das durchstehen und gestärkt aus dieser Zeit hervor gehen. Wachstum und Entwicklung passieren nie, wenn alles easy und happy ist.

Kristine
Ich bin ja in Quarantäne. Es ist wirklich schwer. Mir fehlt die persönliche Begegnung, die Bewegung im Freien (Garten zählt nicht) und die Abwechslung. Und die Sonne. Ich hatte einen Krisentermin in der Institutsambulanz für Psychiatrie wegen meiner Schlaflosigkeit und den wechselnden Stimmungen. Den musste ich wieder absagen. Habe auch keinen anderen bekommen. Erst nach der Quarantäne. Jetzt muss ich da durch. Alkohol ist trotzdem keine Option. In meinem Kopf hat es Klick gemacht.

Alena
Was ich mit der Abstinenz intensiv lebe, ist Demut, Dankbarkeit und einen respektvollen Umgang. Mit anderen aber vor allem mit mir selber.
Dazu gehört auch, Geduld zu haben. Eine Tugend, die mir zu Alkoholzeiten völlig abhanden gekommen war. Oberste Priorität hatte die unmittelbare Bedürfnisbefriedigung! Jetzt, alles, sofort.
Ich bin mir sicher, dass ich in meinen ‚aktiven Zeiten‘ als Ausgleich zu all diesen Corona-Einschränkungen die höchstpersönliche Rebellion mit Alkohol gelebt hätte. Ungeduld, Unzufriedenheit, Selbstmitleid wären meine ständigen Begleiter gewesen. Ein unstetes Wesen meine zweite Haut.
Nichts macht mich glücklicher als das Erleben meiner abstinenten Person in dieser herausfordernden Zeit. Reflektiert, abwartend und kein Opfer der Umstände, als das ich mich stets großzügig definiert sehr gerne gesehen habe.
Eine Rolle, die ich aber hinter mir gelassen habe. Dafür bin ich einfach nur dankbar. Der Rest wird sich fügen.

Sarah
Solange Kindergärten und Schulen offen bleiben, trifft es mich persönlich weniger. Eine Schließung hier wäre für mich eine Katastrophe. Mein größter Trigger ist Überforderung. Und wenn ich mich an den Anfang des Jahres zurückerinnere… zwei Kinder Zuhause und trotzdem Vollzeit arbeiten – das funktioniert nicht, Homeoffice hin oder her. Ich habe nichts mehr richtig geschafft und war dauerüberfordert und frustriert. Ansonsten müssen wir dieses Jahr halt einiges anders machen. Das kann aber vielleicht sogar eine Chance sein: Freizeiteinrichtungen zu? Verbringen wir eben mehr Zeit im Wald und allgemein draußen. Martinsumzug fällt aus? Machen wir eine eigene kleine Nachtwanderung mit Laternen im ganz kleinen Kreis.

Sonja
Ich habe hauptsächlich alleine zuhause getrunken und bin unendlich dankbar, dass ich das jetzt nicht mehr brauche.

Marco
Am Samstag treffe ich mit zwei Jugendkumpels. Ich freue mich einfach beide wiederzusehen, Erinnerungen auszutauschen und eine gute Zeit zu haben. Die beiden anderen sind super motiviert, etwas zu trinken und schreiben offen gesagt über nichts anderes. Wir sind gemeinsam auf dem Dorf groß geworden und da war das Feiern für uns untrennbar mit Alkohol und Bier verbunden. Halloween hätte das noch befeuert. Das fällt jetzt aus. Wir treffen uns jetzt nachmittags. Es wird also eher ein ziviles Treffen. Corona hilft mir also so gesehen mit der Abstinenz. Ich trinke eh nicht. Aber die anderen halt auch nicht oder weniger. Das macht es leichter und angenehmer. Das ist die positive Randnotiz. Wobei ich halt durch Corona insgesamt weniger Leute sehe und treffe. Und das ist schade und so gesehen auch für meine Abstinenz nicht förderlich. Alleinsein und sich einsam fühlen war für mich immer ein Grund zu trinken. Zum Glück ist zumindest das Trinken vorbei. Und das andere wird auch. Trotz Corona.

Svantje
Es ist ein guter Zeitpunkt um in sich hineinzuhorchen und zu sich zu kommen. Was die Nüchternheit betrifft. Keine Parties, keine Treffen mit Freunden und somit keine Versuchungen. Das macht es mir gerade einfacher.

Sabine
Ich sitze öfter an der Kasse in einem kleinen Supermarkt. Ab 17 Uhr bis kurz vor Ladenschluss (kennt ihr das noch?) verkaufte ich zu 90% Alkohol. Ich sehe in viele trübe Augen mit tiefen Ringen und erhalte zittrig das Geld. Manche sagen dann auch: ich trinke mein Essen lieber…. oder solche Sprüche. Das erinnert mich dann, wie dankbar ich bin, nicht mehr zu trinken.

Ursula
Am Doofsten ist es, dass es wieder kein Fitness und Yoga geben wird. Mich und meine Familie betrifft es finanziell außerdem schon das ganze Jahr hart. Mein Mann kann und darf seit acht Monaten nicht mehr arbeiten und ich fürchte mich davor, was passiert, wenn die Zahlen trotzdem nicht zurückgehen. Aber mit Alkohol wäre alles noch viel schlimmer. Mit ihm war ich im Gefängnis, jetzt nicht.

Wolfram
Ich habe zwar seit März eine ziemliche Summe in meinem durch Corona nicht mehr existenten Nebenjob eingebüßt, musste dadurch Schulden machen. Aber dadurch habe ich auch die Motivation gefunden mich in eine andere Richtung weiterzuentwickeln. Hätte ich ohne Corona nie gemacht, meine durch die Nüchternheit gewonnene Klarheit und innere Kraft hat mir sehr geholfen alle Hürden hin zum neuen Job zu überwinden. Wir leben schon immer ziemlich isoliert, haben nur wenige Kontakte neben der auch recht kleinen Familie, wir gehen selten Essen, tanzen oder feiern, das ist keine Änderung für mich. Allein die schwierigen Reisebedingungen sind blöd, da wir aktuell kaum noch nach Spanien, der Heimat meiner Frau, kommen:-( Ich bin trotzdem gerade total happy in mir drin, kann aber den Frust, die Trauer und die Sorgen der Familien mit Kindern, gefährdeten oder gar erkrankten Angehörigen oder betroffenen Selbständigen sehr gut nachvollziehen. Für die tut es mir sehr leid.

Sara
Bei mir ändert sich fast nichts, da ich in meiner Praxis weiter arbeiten kann (die ist bei uns auf dem Grundstück), wir den Wald vor der Tür haben und ich die ruhige Zeit seeehr gerne für mich nutze. Allerdings…zuletzt haben meine sozialen Kontakte sehr unter dem Alkohol gelitten. Ich bin dabei, mich hierfür wieder mehr zu öffnen und da kommen mir die Einschränkungen natürlich nicht entgegen.

Valesca
Ich bin so dankbar, gerade in dieser Zeit nicht zum trinkenden Teil der Leute zu gehören. Alkohol macht alles so hoffnungslos und dumpf. Nüchtern habe ich die Wahl, die Umstände anzunehmen und sogar mit meinen Kindern zu genießen in unserer kleinen Höhle zuhause.


Solltest Du verzweifelt sein, Dich ärgern, fürchten, Dich ohnmächtig oder ungerecht behandelt fühlen, das darf alles sein. Fühl es, erleb es. Erleb es in dem Wissen, dass auch diese Gefühle vorbeigehen werden. Zumindest, wenn Du nüchtern bleibst. Und erst recht, wenn Du Deinen Fokus immer wieder mal auf die Dinge richtest, für die Du dankbar sein kannst. Das goldene Herbstlicht zum Beispiel. Die Möglichkeit, spazieren zu gehen. Die Möglichkeit, mit Deinen Lieben zu skypen. Oder auch für diese ganzen Menschen, die hinter Dir stehen und Dich auf Deinem Weg begleiten. Menschen wie Sarah, Sabine, Roland, Birgit, Kristine, Alena, Sarah, Sonja, Marco, Svantje, Sabine, Ursula, Wolfram, Sara, Valesca und ich.


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