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15.08.2020

Violas Weg aus der Alkoholabhängigkeit

Manchmal bin ich meiner Sucht richtig dankbar. Das hat mehrere Gründe. Einer davon ist, dass ich durch meine Arbeit so viele wundervolle Menschen kennenlerne. Menschen wie meine Programmteilnehmerin Viola, um die es heute geht. Den Text, den Du gleich liest, hat sie ursprünglich in der OAmN-Facebookgruppe gepostet. Ich teile ihn hier leicht gekürzt und natürlich mit ihrem Einverständnis.

Aus Violas Geschichte lässt sich viel lernen. Zum Beispiel, dass es oft eine Kombination aus vielen Dingen ist, die zum Ziel führt. Und vor allem, dass es sich lohnt, nicht aufzugeben. Aber lies selbst:

Viola

Zum Ende meiner Trinkzeit habe ich immer öfter gemerkt, dass ich mit dem Trinken aufhören muss, dass ich es aber nicht kann. Ich hatte nochmal ein Studium begonnen und merkte, dass ich die geforderte Leistung nicht bringen kann, wenn ich weiterhin trinke. Anfangs dachte ich: Wenn ich mit dem Rauchen aufhören kann, dann kann ich es auch mit dem Trinken schaffen. Damals wusste ich nicht, wie weit ich davon noch entfernt war und wie anders es ist mit dem Trinken aufzuhören. 

Als ich das erste Mal aufgehört habe, das war im Januar 2015, bin ich zur Diakonie meiner Stadt gegangen. Ich hatte keine Ahnung vom Alkohol und seiner Wirkweise und habe das ganze so aufgezogen, wie ich es immer tat, wenn ich etwas unbedingt will: durchziehen. Hingehen zu den Gruppenveranstaltungen, abhaken, hingehen, abhaken, hingehen, abhaken. Fertig ist die Abstinenz. Das hat leider nicht geklappt. Obwohl ich auch sah, dass es schön ist, abstinent zu sein, meldete sich meine Sucht immer öfter. 

Nach ca. sieben Monaten machten wir Urlaub mit unserem Boot und ich sah nur noch all die vermeintlich glücklichen trinkenden Menschen und mich selber als unglückliches, langweiliges Häufchen Elend. Ich habe den Urlaub noch abstinent durchgestanden, habe aber nach insgesamt acht oder neun Monaten aufgegeben. Das konnte ich nicht durchhalten. Ich verließ die Gruppe und die Therapeuten und fing wieder an zu trinken. Was für eine Erleichterung! Dachte ich. Zwei Jahre lang tat ich dann wieder sehr schlimme Dinge unter Alkoholeinfluss. Mich auf Feiern total zudröhnen und dann völlig peinlich herumstolpern, mit meinem Mann streiten und dabei die Kontrolle verlieren. Ihn ganz schlimm beschimpfen und verletzen. Trinken. Jeden Tag und viel zu viel. Jeden Abend betrunken ins Bett, schwitzend nachts aufwachen und stundenlang wach herumliegen. Es war die Hölle. Mein Mann machte deutlich, dass er nicht länger bereit ist, mein Trinken hinzunehmen. Ich wusste, es ist Zeit und ich wollte dann für ihn mit dem Trinken aufhören.

Im März 2018 kaufte ich mir „Endlich ohne Alkohol“ von Allen Carr und hatte eine Erleuchtung! Ich brauchte nur die Hälfte des Buches zu lesen und war sofort abstinent. Toll! Ich verstand ein paar Dinge mehr, aber das war mir gar nicht so wichtig. Ich war einfach abstinent und das reichte mir. Ich verstand, dass diese Sucht so ähnlich funktionierte, wie die nach Nikotin, begriff aber auch hier noch nicht, dass die Sucht nach Alkohol mit wesentlich stärkerer Konditionierung einhergeht. Ich verstand, dass ich frei bin, aber noch nicht, dass ich mehr tun muss, dass ich mich aktiv mit der Alkoholsucht beschäftigen muss. Da ich das nicht tat, meldete sich die Sucht bald wieder. Aber ich wollte nicht trinken! Auf gar keinen Fall. 

Ich bekam Angst und meldete mich zu einem der Easy-Way-Seminare von Allen Carr an. Die kosten einen Haufen Geld – wirklich: einen großen Haufen – und ich ging voller Zuversicht zu den Seminaren. Aber ich fand, dass die Veranstalter es sich etwas zu einfach gemacht haben: In einem Jahr gab es ein Seminar und zwei bis drei Vertiefungstreffen. Zwischendurch konnte man mit der Leiterin des Programms telefonieren. Für mich war es eine sehr große Hürde zum Telefon zu greifen und diese Frau anzurufen. Ich war damals depressiv und meine Ehe in einer großen Krise. Depressive Menschen telefonieren nicht gerne. Also rief ich sie nur ein oder zweimal an. Außerdem verstand ich sie nicht. Ich verstand das Konzept nicht. Ich hatte nichts in der Hand, was ich dem Alkohol entgegensetzen konnte. 

Zusätzlich war ich in einer schlimmen Schamspirale gefangen. Ich schämte mich, dass ich nicht trinken konnte, wie all die anderen. Wieso konnte ich nicht mit dem Alkohol umgehen? Ich machte mir schwere Vorwürfe und hielt mich für absolut unfähig. Ich war nicht in der Lage richtig zu trinken und ich war nicht in der Lage richtig abstinent zu sein. Weil mir das alles viel zu kompliziert war und ich mich so schämte, beschloss ich, wieder zu trinken. Ich goss mir einfach ein Glas ein und fing wieder an. Das war mir alles echt zu schwer.

Ein Jahr lang habe ich voller Widerwillen getrunken. Ich habe mir selber dabei zugesehen und mich mit Abscheu betrachtet. Ich habe getrunken, weil ich nicht wusste, wie Abstinenz funktioniert. Ich hatte noch immer keine Ahnung. Dann kam der 18. Oktober 2019 und ich sah Nathalie Stüben bei 3 nach 9. Wow! Das war doch mal eine Ansage! Am nächsten Tag hörte ich sofort wieder auf zu trinken und das erste was ich machte, war, mir Nathalies Podcast anzuhören und mir eine AA-Gruppe zu suchen. Ich war nicht mehr allein mit meinem Problem! Bei Nathalie lernte ich, dass nicht ich das Problem bin, sondern dass Alkohol eine Droge ist, die süchtig macht. Punkt. Ich begriff das zum ersten Mal, obwohl ich das auch schon bei Allen Carr gehört hatte. Irgendetwas war jetzt anders. Nathalie verkörperte einen frischen, freien, modernen Umgang mit der Abstinenz und sie machte deutlich: Ein Leben ohne Alkohol ist keine Qual. 

In meiner AA-Gruppe konnte ich nun zum ersten Mal eingestehen: Ich bin psychisch von Alkohol abhängig. Ich konnte das in einer Runde von 20 Leuten aussprechen und es in die Welt bringen. Ich bin abhängig von Alkohol. Das war mein Durchbruch. Als dann meine AA-Gruppe wegen Corona ausfiel, meldete sich schon nach kurzer Zeit wieder die Sucht und ich bekam furchtbare Angst: bitte, bitte nicht! Ich will nicht trinken! Drei schwere lange Wochen kämpfte ich und beschloss dann, mich bei Nathalies Programm „Abstinenz stabilisieren“ anzumelden. Und, was soll ich sagen? Man ahnt es schon: Es konnte mir nichts besseres passieren. Ich begann eine völlig neue Auseinandersetzung mit mir selber. Irgendwo ging die Sonne auf und ich sah mich in einem völlig neuen Licht. Jeden Tag kam ich dem Kern der Sache näher und jeden Tag stellte ich fest: Es geht noch tiefer. Endlich konnte ich verstehen, wie Abstinenz funktioniert und endlich konnte ich mich selber viel besser verstehen. Mein Leben ist so voll und reich geworden. Ich habe Schmetterlinge im Bauch und kann sagen: Ich bin unendlich dankbar.

Heute Morgen habe ich dann das Interview mit Nathalie auf SR3 angehört. Dabei ist mir zum ersten Mal so richtig bewusst geworden, welch bahnbrechende Leistung Nathalie erbringt. Es stimmt: Wir sind Teil einer sanften Revolution, einer Bewegung, die sich nicht nur am eigenen Körper und am eigenen Geist, sondern auch innerhalb der Gesellschaft gegen den Zwang zu trinken, wehrt. Das fühlt sich für mich so dermaßen erhaben an und ich bin sehr glücklich, Teil dieser Bewegung zu sein. Was für mich persönlich der Hauptpunkt dieser Leistung ist, ist, dass ich nach vielen Jahren, in denen ich wiederholt Therapien gemacht habe, nicht an den Kern meines Problems gestoßen bin, nämlich dass der Alkohol einen großen Anteil an meinen Problemen hat, nicht nur meine schlimme Kindheit und Jugend.

Manchmal frage ich mich, ob es sinnvoll wäre, Therapeuten zusätzlich zu schulen, um ihnen zu helfen, Alkohol – also die Art des Konsums, die als gesellschaftlich tragfähig anerkannt ist – als ein Problem zu erkennen und entsprechende Maßnahmen anzubieten. Meine Therapeutinnen waren sehr gut ausgebildet, aber beim Thema Alkohol fühlten sie sich einfach nicht kompetent und haben deshalb das Thema außen vor gelassen. Nach meiner letzten Therapie, die wirklich sehr gut war und in der ich viele meiner Verhaltensweisen, die ich als problematisch erkannt hatte, verbessern konnte, saß ich am Ende da und fragte mich, warum ich denn jetzt nicht glücklich bin. Erst durch die Abstinenz und das Programm von Nathalie konnte ich erkennen, warum das so war. Ich konnte die Leere, das Vakuum, das durch den Alkoholkonsum entstanden war und meine Persönlichkeit verzerrt hat, endlich füllen und zwar mit mir selbst. Ich glaube, dass ist es, was mich heute so glücklich macht. Ich bin bei mir und ich bin mir genug.


Falls Du gerade da bist, wo Viola noch vor einigen Jahren war, dann gib auch Du nicht auf. Es gibt einen Weg. Auch für Dich. Und wenn es momentan noch nicht klappt, mach weiter. Irgendwann findest Du den Ansatz, der zu Dir passt. Und vielleicht ist es ja meiner. Wenn Du’s ausprobieren möchtest, dann klick gern mal hier.


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