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20.06.2020

Wie das Glück zurückkehrt, wenn wir keinen Alkohol mehr trinken

als ich in der zwölften Klasse war, beobachtete ich eine Szene, die ich nie wieder vergessen hab‘: Mein Mitschüler Henning stand nach seinem Mathe-LK an einer bis in die Ecken vollgeschriebenen Tafel. Ein einziges Gewusel aus Zahlen und Zeichen, das für mich absolut keinen Sinn ergab. Henning war dabei, irgendeine meterlange Gleichung zu lösen. Er quetschte noch ein paar Ziffern in die unterste Ecke, trat einen Schritt zurück, fing an zu strahlen und sagte: “Diese Lösung hat Charme.”

Ich musste so lachen und dachte nur: Wow, wir leben echt in völlig verschiedenen Welten. Ich wäre im Traum nicht darauf gekommen, Mathematik mit dem Wort “Charme” in Verbindung zu bringen. Aber diese ganze Zuneigung in Hennings Blick, seinen Worten und seiner Stimme verdeutlichte mir damals etwas, das mir seitdem immer wieder begegnet: Unsere Gefühle sind ähnlich, wir haben nur alle eine andere Sprache, mit der wir sie ausdrücken.

Daran musste ich wieder denken, als ich las, was mein Teilnehmer Manfred in die OAmN-Facebookgruppe postete. Seine Art, in Worte zu fassen, was die Abstinenz für ihn bedeutet, faszinierte mich ähnlich wie Hennings Aussage damals. Aber lies selbst:

Manfreds Abstinenz-Glücks-Gleichung

Der auf Knopfdruck gesteuerte Glückskick war mein Hauptgrund für die Trinkerei. Der dadurch verursachte Hormoncocktail im Oberstübchen dämpfte sofort meine negativen Gefühle.

War’s das Wert?

Aus heutiger Sicht (Nüchterntag 175!) ein ganz klares NEIN!

Der Alltag ist mittlerweile so schön und zufriedenstellend und darüber hinaus ist der Spaß daran wieder zurück, kurz: Ich fühl‘ mich sauwohl.

Die ersten Nüchternwochen fielen mir schwer, der gewohnte Glückskick blieb aus und eine ungekannte Leere meldete sich zu meinen Trinkzeiten – meist nach getaner Arbeit. Der Alltag erschien mir oft langweilig und grau. Das änderte sich aber peu à peu, der Alltag wurde heller und ab und zu spitzte sogar das Glück durch das Alltagsgrau.

Das Schöne daran ist, je länger ich nüchtern blieb, desto öfters erschienen mir die Glücksmomente. Es fühlt sich in etwa so an, als ob die Rückkehr des durch den Alkohol geraubten Glücks von der Länge der Abstinenzzeit abhängt. Oder technisch ausgedrückt: Die Glückswiederkehr verhält sich proportional zur Abstinenzzeit.

Meine Erkenntnis:

Durchs Trinken verbrauchst du Glück und das Glücksdefizit bestimmt den Alltag. Im Laufe der Nüchternheit füllt sich dieser Fehlbetrag langsam wieder und irgendwann hat sich das Glück wieder in den Alltag integriert. Damit das funktioniert, muss die Nüchternzeit den individuellen Glücks-Break-Even überschreiten, damit man auf der Habenseite ist. Ist diese Schwelle gemeistert, fühlt sich die Abstinenz wie ein stetiger Gewinn an.


Manfred hat mir erlaubt, seinen Text hier mit kleinen Änderungen zu teilen. Ich freue mich riesig darüber und hoffe, dass seine Worte Deinen Horizont ähnlich erweitern wie meinen. Oder aber, dass sie Dir einen hilfreichen Zugang zur Abstinenz ermöglichen. Also wenn Du ähnlich tickst wie er und Henning. So oder so: Diese Sichtweise hat Charme.

Nachtrag

Nachdem ich diesen Text veröffentlich habe, bekam ich eine Nachricht vom nächsten Nerd in meinem Programm. Auch so dermaßen cool, dass ich’s hier unbedingt noch teilen muss. Marco schreibt:

Meine persönliche Erfolgsformel lautet übrigens:
{[Abstinenz=Prio 1]+m-a * 100% *(oAmN)}= E*G-K

m = möglichkeiten 

a = ausreden

oAmN = ohne Alkohol mit Nathalie

E = Erfolg

G =Glück

K = Kater


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