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18.04.2020

So kannst Du aus jeder Abstinenzgeschichte etwas lernen

vor ein paar Tagen habe ich auf Instagram Sylvias Geschichte veröffentlicht. Wer meine Arbeit auf Insta nicht kennt: Ich dokumentiere dort neben meiner eigenen Story die von Schicksalsgefährt*innen. Das hat mehrere Gründe. Zum einen möchte ich zeigen, dass sich hinter Alkoholabhängigkeit ganz andere Gesichter verbergen als die, die wir dahinter vermuten. Vor allem aber möchte ich mit diesen Posts dazu ermutigen, ein Leben ohne Alkohol zu führen.

Das Interessante an all unseren Geschichten ist, dass sie sich gleichen, obwohl sie total individuell sind. Welcher Aspekt in unserem Kopf ankommt, hängt stark von unserer Einstellung einem nüchternen Leben gegenüber ab. Hadern wir noch – oder wieder – mit ihm, konzentrieren wir uns auf die individuellen Aspekte, also auf die Unterschiede. In diesem Fall ist es ratsam zu lernen, die Gemeinsamkeiten zu erkennen. Denn die sind es, die uns weiterbringen. Sylvias Story eignet sich optimal, um zu verdeutlichen, was ich damit meine.

Sylvia

“Ich bin von innen heraus so überdimensional mit Begeisterung unterwegs, das ist für viele Leute kaum zu ertragen. Und ich habe immer gedacht, dass ich das runterdimmen muss. Dass ich nicht so sein darf, wie ich bin.”

Das erzählt mir die 59-jährige Juristin @1asylvia. Sie führt diese Überzeugung auf ihre Kindheit zurück. “Eine meiner Freundinnen ist früher geschlagen worden. Wir haben immer gesagt: Dich misshandeln sie körperlich, mich mit Worten. Der Effekt ist der gleiche.”

Ihr Leben lang trägt Sylvia eine Maske, ständig fühlt sie sich falsch – sowohl zu Hause als auch im Beruf. 25 Jahre lang arbeitet sie als Familienanwältin, obwohl ihr das Konzept von Streit und Kampf um Unterhaltsansprüche widerstrebt. Eigentlich will sie Menschen dabei helfen, sich friedlich zu trennen. Der Alkohol dimmt nicht nur ihre Begeisterung. Er dimmt auch ihre inneren Konflikte. “Getrunken habe ich, wie ich bin – mit hoher Geschwindigkeit.”

Als sich vor sieben Jahren ihr Lebensgefährte von ihr trennt, versteht Sylvia die Welt nicht mehr. “Ich bin sensibel bis in die Haarspitzen, aber ich war es nicht in Bezug auf mich.” Sie beginnt mit Persönlichkeitsentwicklung, verkauft das Haus, erweitert ihr berufliches Portfolio um ganzheitliches Trennungsmentoring, bringt ihr Leben in Ordnung. “Schritt für Schritt ist alles gegangen, worüber ich mich identifiziert habe in diesem künstlichen Maskenleben.” Nur der Alkohol, der bleibt. Es gibt zwar Pausen und Phasen, in denen sie ihren Konsum kontrolliert. Aber von Dauer ist das nie.

“Ich kann nicht zählen, wie oft ich mir vorgenommen habe, aufzuhören. Irgendwann habe ich’s mir gar nicht mehr vorgenommen. Auch als ich auf Dein Programm gestoßen bin, habe ich’s mir nicht vorgenommen, sondern es einfach gemacht.” Mit Erfolg. Seit einem guten halben Jahr lebt sie ohne Alkohol. Und zum ersten Mal fühlt sich ‚für immer’ nicht wie Bedrohung an, sondern wie Befreiung.

“Jetzt bin ich wirklich der Überzeugung, dass ich es nicht unter Kontrolle habe und dass es sinnvoll ist, es zu lassen. Das war die letzte Bremse, die ich noch lösen musste. Jetzt in meinem 60. Lebensjahr bin ich wirklich, wie ich bin.”

Focus on the similarities, not the differences. – Paul Churchill

Wenn unser Inneres sich noch dagegen sträubt, ein Leben ohne Alkohol zu führen, dann lesen wir Sylvias Geschichte zum Beispiel so: „Die hat’s gut mit ihrer Begeisterung. Ich träume davon, mich ‚runterdimmen‘ zu müssen. Aber ich weiß gar nicht, wie ich mich ohne Alkohol locker machen, geschweige denn für etwas begeistern soll.“ Oder so: „Ich kann nicht gerade behaupten, mit hoher Geschwindigkeit zu trinken. Ich trinke halt abends mein Glas Wein. Oder zwei. In letzter Zeit eher drei. Ja ok, aber halt langsam und genussvoll. Also so schlimm ist es bei mir gar nicht.“

Na, fühlst Du Dich ertappt? Gut so! Denn dann kannst Du ab sofort damit anfangen, umzudenken. Deine neue Lesart könnte folgende sein: „Ach, schau mal an, auch Sylvia hat zum Alkohol gegriffen, um dazuzugehören. Und auch bei ihr führte das zum genauen Gegenteil. Wahnsinn, wie perfide sich der Alkohol in unsere Leben schleicht.“ Oder die hier: „Auch diese wundervolle Frau ist jahrelang daran gescheitert, ihren Konsum zu kontrollieren. Wie ich. Gott, wie oft habe ich versucht, dieses Glas am Abend nicht zu trinken – oder zumindest mal wieder bei einem zu bleiben. Aber das ist auch bei mir nie von Dauer. Vielleicht könnte ich es auch als Befreiung empfinden, es ganz zu lassen.“

Sobald Du also denkst, ich bin anders – harmloser, krasser, besser, schlechter, intelligenter, dümmer, was auch immer –, halte inne und frag Dich stattdessen: Was kann ich von dieser Person lernen? Womit kann sie mich trösten, inspirieren, motivieren? Wenn Dir das gelingt, mutieren diese Geschichten zur Superkraft. So kann jede einzelne von ihnen Dich stärken.

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