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25.04.2020

Wie Du trotz Corona-Frust nüchtern bleibst

Mir ging es letztens schlecht. Mein Baby riss mich alle eineinhalb Stunden aus dem Tiefschlaf, weil es Hunger hatte. Ich ließ beim Stillen den Newsjunkie raus und verlor mich in den Nachrichten. In dieser Nacht las ich von Verbrechern, die Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel aus einer Berliner Kinderintensivstation stehlen. Von Oligarchen, die ihren Landsleuten die Beatmungsgeräte wegkaufen – nur für den Fall der Fälle. Von Slums, Townships und Favelas, deren Bewohner nun die Wahl haben zwischen Hungertod und Virus.

Als der Tag anfing, war er schon gelaufen. Ich war dünnhäutig, patzig und permanent kurz davor zu heulen. Sowohl mein Mann als auch meine Tochter ließen sich davon anstecken. Die Stimmung bei uns war so angespannt wie lange nicht. Und ich war mir sicher: Die Welt ist – mit Verlaub – scheiße.

Gegen Mittag ging ich mir mit dieser Haltung dermaßen auf die Nerven, dass ich meinen Sohn in den Kinderwagen packte und loslief. Bewegung hilft mir in solchen Situationen. Es fühlt sich immer so an, als würde mein Körper mir ermöglichen, den Kanal in meinem Kopf zu wechseln. Das funktionierte auch an diesem Tag. Ich lief los, mein Blick veränderte sich. Ich schaltete auf „Schönheit“.

Schönheit erkennen

Als erstes fiel mir ein Korb mit selbstgenähten Atemschutzmasken auf. Jemand hatte ihn vors Haus gestellt, für alle, die nicht nähen können (wie mich). Auf dem Weg zum Inn sah ich unser Krankenhaus, in dem sie sich fachgerecht um schwer erkrankte Covid-19-Patienten kümmern. Am Fluss wehte mir der Wind durch die Haare. Jeder, der mir begegnete, lächelte mir zu. Der Himmel strahlte in sattem Blau und auf dem Rückweg bemerkte ich, dass meine Lieblingseisdiele nun Eis to go verkauft. Wie wundervoll!

Als ich nach Hause kam, baute mein Mann mit meiner Tochter Lego-Häuser. Eins für die Vögel, eins für uns. Spätestens da war ich mir sicher: Das Gute überwiegt. Der Rest des Tages war harmonisch. Und wieder mal bestätigte sich der Satz: Energy flows where attention goes. Als ich meine Aufmerksamkeit auf Grausamkeit, Egoismus und Verderben richtete, färbte sich meine Realität entsprechend. Als ich ausbrach und sie auf Mitgefühl, Solidarität und Größe lenkte, hellte sie sich schlagartig auf.

Eine Frage der Perspektive

Mit Alkoholabhängigkeit und Abstinenz funktioniert es ähnlich. Wenn wir uns auf die anstrengenden und harten Aspekte konzentrieren, dann erscheint uns unser nüchternes Leben wie eine Qual, wie ein nicht enden wollender Kampf. Unsere Realität ist geprägt von: Ich darf nicht trinken. Es ist so hart. Ich muss stark sein. Konzentrieren wir uns hingegen auf die angenehmen und erhebenden Aspekte, dann erscheint uns dieses neue Leben als Geschenk, als Freiheit. Dann sind wir dankbar, nicht mehr trinken zu müssen. Dann empfinden wir unsere Abstinenz als Erleichterung. Dann kann endlich Frieden einkehren.

Das gilt natürlich nicht absolut. Soll es auch gar nicht. Das Leben ist nicht schwarz-weiß. Es geht nicht darum, das Schwierige auszublenden und weltfremd durchs Leben zu schweben. Ich bin die Letzte, die sagt: „Lies keine Nachrichten“. Und ich sage auch nicht: „Abstinenz ist ausschließlich schön“. Nein. Aber ich sage: Es existiert immer eine andere Perspektive und wir sind in der Lage dazu, sie einzunehmen.

Also wenn sich Dein Leben ohne Alkohol gerade hauptsächlich nach Komplikation und Hindernislauf anfühlt, dann wechsle doch mal den Kanal. Schalte auf Schönheit und richte Deinen Fokus auf all die Dinge, die Deine Abstinenz Dir schenkt. Den klaren Kopf am Morgen zum Beispiel. Die stille Freude beim Blick in den Spiegel. Oder das gute Gefühl, endlich so richtig für Dich da sein zu können.


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