21.04.2025

Jan: „Die stille Rückkehr“

Eine der ersten spürbaren Verbesserungen in der Nüchternheit ist die Art und Weise, wie der Tag beginnt. Diese klaren, verheißungsvollen Morgen – ohne schlechtes Gewissen und ohne Kopfschmerzen.

Mein Programmteilnehmer Jan hat seine Gedanken dazu in Gedichtform niedergeschrieben und in unserer OAMN Onlinegruppe gepostet. Das kam so gut an, dass wir uns Jans Erlaubnis eingeholt haben, seinen Text hier mit Dir zu teilen:


Die stille Rückkehr

Morgens aufzuwachen –
nicht mehr benommen, nicht mehr gebrochen,
nicht mehr wie ein hilfloses Elend
mit halb geöffneten Augen
dem eigenen Leben entgegenzublicken.
Kein Zittern, das sich durch die Glieder schleicht,
kein Aufbäumen des Herzens,
das wie ein verletztes Tier in der Brust tobt.
Keine stille Panik mehr,
die sich zwischen den Atemzügen ausbreitet
wie Nebel, der nicht weichen will.

Ist das also Freiheit?
Dieses leise, ungewohnte Nichts,
das den Platz einnimmt,
wo früher Scham und Furcht wohnten?
Ist es Freiheit,
nicht mehr fliehen zu müssen vor sich selbst?

Die unzähligen Tage des Vergessens
liegen hinter mir wie ausgebrannte Felder.
Tage, an denen die Gefühle zu groß wurden
für meinen Körper,
für mein Herz,
für meine Sprache.
Tage, an denen ich trank,
weil es einfacher war zu sinken
als standzuhalten.

Ich suchte Trost im Glas,
sah den Sinn im Schwanken,
sah die Antworten
am Boden eines Getränks,
das nur betäubte –
aber nie heilte.

Jetzt durchschreite ich dieselben Tage
mit offenen Augen.
Ohne Rausch, ohne Schleier,
in ihrer vollen, manchmal unbequemen,
aber ehrlichen Gegenwart.
Es gibt keinen Filter mehr
zwischen mir und der Welt.

Und ich beginne zu begreifen:
Das Leben ist kein Spektakel,
keine Kulisse,
kein Theaterstück,
in dem man die eigenen Schatten übertönt.
Es ist ein stilles Gewebe
aus Momenten,
aus Klarheit,
aus Mitgefühl –
vor allem mit sich selbst.

Ich hätte nie gedacht,
dass Nüchternheit nicht Verzicht bedeutet,
sondern Heimkehr.
Dass es eine Kraft ist,
am Morgen nicht nur aufzuwachen –
sondern anzukommen.

In meinem Körper.
In meinem Leben.
In mir.

Und manchmal,
wenn das Licht durch das Fenster fällt
und nichts weh tut,
nichts flieht,
nichts kämpft –
dann spüre ich es.
Ich lebe.
Wahrhaft.
Und es ist wundervoll.

Jan Nolte


Wenn aktuell noch etwas in Dir flieht und kämpft; wenn Du morgens mit ziehendem Magen aufwachst, weil Du Dich so schämst für Dein Alkoholproblem, dann empfehle ich Dir mein YouTube-Video „Alkoholproblem: So entkommst Du der Scham.“ Darin teile ich drei Erkenntnisse mit Dir, die Dir dabei helfen können, raus aus der Selbstabwertung und rein ins Handeln zu kommen. Das Video findest Du hier.


OAMN Newsletter

Du möchtest diese Texte schon freitags in Deine Mailbox geschickt bekommen? Dann meld Dich gern für den OAMN Newsletter an.

Was Dich auch interessieren könnte: