10.06.2024

Schützt Kinder endlich vor Alkoholwerbung

Vor anderthalb Wochen haben Falk Kiefer und ich unser Manuskript für „Frauen und Alkohol“ abgegeben, mein zweites Buch. Darin sprechen wir auch über das krasse Wissensdefizit, das in Sachen Alkohol herrscht – in Europa, vor allem aber in Deutschland. Wir gelten international nicht umsonst als Entwicklungsland, wenn es um Alkoholpolitik geht. Ein Gang durch den Supermarkt verdeutlicht, wie fahrlässig wir mit dieser Droge umgehen. Weinflaschen stehen zwischen Nudeln und Milch, Schnapsflaschen in der Quängelzone direkt an der Kasse, davor laufen wir noch an Bierkisten vorbei, die mit Gewinnspielen und Sonderangeboten vermarktet werden dürfen. Egal, welche der Flaschen und Dosen wir auch in die Hand nehmen, wir finden keine Warnhinweise. Auf den Etiketten befinden sich noch nicht einmal Angaben zu Inhaltsstoffen oder Kalorien. Alkoholherstellende genießen hierzulande Privilegien wie kaum ein anderes produzierendes Gewerbe. Dabei zerstört ihr Produkt das Leben von Millionen und greift massiv in die Lebensqualität ein, lange bevor es Beziehungen und Existenzen vernichtet. Dabei ist Alkohol sogar schon in kleinsten Mengen schädlich für die Gesundheit. Im aktuellen Jahrbuch Sucht hat Prof. Ulrich John das zusammen mit Kolleg:innen noch einmal schön dargelegt. In dem Artikel steht unter anderem auch dieser Satz hier:

„Werbung für Alkohol ist vor dem Hintergrund der wissenschaftlichen Befunde zu alkoholbedingten Gesundheitsschäden unethisch.“

In ihrem Koalitionsvertrag hatte sich die Ampel-Regierung darauf geeinigt, die Regelungen für Marketing und Sponsoring zu verschärfen. Denn Marketing, Werbung und Sponsoring normalisieren Alkoholkonsum nicht nur, sie führen auch dazu, dass Trinken attraktiv erscheint. Noch immer, nicht nur Erwachsenen, sondern auch Kindern. Zwischendurch machte der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht, Burkhard Bienert, auch mal Schlagzeilen mit der Forderung, Alkohol erst ab 18 zu erlauben – und nicht wie bisher bereits mit 14, was tatsächlich der Fall ist. Im Beisein der Eltern dürfen 14-Jährige Alkohol trinken, das nennt sich allen Ernstes „betreutes Trinken“. Gegen solche Absurditäten etwas zu unternehmen, wäre vernünftig. Passiert ist leider noch nichts. Nicht umsonst haben renommierte Gesundheitsorganisationen und Forschende nun einen Forderungskatalog formuliert, mit dem sie nochmal darauf hinweisen, wie wichtig es für Kinder und Jugendliche ist, ohne dieses aggressive Marketing für Suchtmittel aufzuwachsen. Im Idealfall folgt diesem Aufruf noch in dieser Legislaturperiode ein entsprechendes Gesetz. Ich unterstütze ihn.

Und solange sich in der Politik noch nichts bewegt, solange wir noch warten auf längst überfällige Werbe- und Marketingverbote, solange können wir ja schon mal weitermachen und an Stellschrauben drehen, die ebenfalls etwas verändern. Wir können zum Beispiel weitermachen damit, öffentlich darüber zu sprechen, wie erfüllend und cool alkoholfreies Leben ist. Wir können unsere Geschichten erzählen und sie unterfüttern mit wissenschaftlichen Fakten. Wir können wirtschaftliche Hintergründe offenlegen und damit Augen öffnen. In diesem Zusammenhang steht noch ein sehr interessanter Absatz im oben erwähnten Jahrbuch Sucht-Aufsatz:

„In Deutschland mangelt es an Prävention. So fehlt die Bewerbung der Reduktion und Abstinenz von Alkohol mit dem Ziel höherer Lebensqualität. Das belegt auch die Diskrepanz zwischen der Lobbyarbeit für und der gegen Alkoholkonsum. Schätzungen lauten, dass für die Institutionen der Europäischen Union den 95 Lobbyisten der Alkoholindustrie nur 14,5 Vertreterinnen und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen für Public Health gegenüberstehen.“

Eine weitere interessante Gegenüberstellung, die aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung stammt:

Die Werbeausgaben der Alkoholherstellenden lagen 2022 bei rund 600 Millionen Euro. Im selben Jahr gaben das Bundesministerium für Gesundheit und die BZGA drei Millionen Euro für Aufklärung und Präventionsarbeit aus. Die Industrie investiert also rund 200 Mal mehr Geld in Alkoholwerbung und Marketing als der Staat in Präventionskampagnen.

Es muss sich noch einiges verändern. Wenn Du dazu beitragen möchtest, dann teile Texte wie diese, leite meine Mail weiter, sprich über Dein alkoholfreies Leben und leb es. Mach es Dir schön, genieße es. So wirst Du zum Vorbild, so machst Du einen Unterschied. Es ist schön, dass es Dich gibt.


Letzten Samstag ist übrigens die Aktionswoche Alkohol gestartet. Im Zuge dessen ist meine Mitarbeiterin Alex diese Woche zum ersten Mal für OAMN unterwegs, um Vorträge zu halten. Vielleicht hast Du ja spontan Lust, hinzugehen. Infos dazu findest Du hier.


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