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21.03.2022

Bianca: „Lasse mich nicht mehr beherrschen“

Heute möchte ich Dir Mut machen. Mut, dass es sich mehr als andere lohnt, auch an dunklen Tagen nüchtern zu bleiben.

Hier kommen ein paar wunderschöne Antworten auf die Frage:


Warum lohnt es sich, nüchtern zu sein?

Katrin

Über 200 Tage nüchtern. Ich denke nach über die vielen Veränderungen, die mir geschenkt wurden. Für mich trifft es das Bild des Schmetterlings – wie die Raupe sich in ihren Kokon einschließt und anschließend als wunderschönes Wesen in die Welt fliegt. War der Schmetterling die ganze Zeit in der Raupe? Wo ist die Raupe hin? Ist es dasselbe Wesen?

Beim Nachdenken wird mir schwindelig, bis ich begreife: Es gibt einen Ort in uns, der immer gleich bleibt. Dort ist die Quelle für Kraft, Licht und Frieden. Dieser Ort kann durch nichts, auch nicht durch die schrecklichsten Erlebnisse, ganz zerstört werden. Aber er kann zugeschüttet werden. Verbarrikadiert, ignoriert und geleugnet werden. Ich erinnere mich jetzt daran, dass ich diesen Ort als Kind gut gekannt habe. Aber ich habe verlernt, ihm zu vertrauen. Und das hat mich einige falsche Entscheidungen treffen lassen. Ich hielt mein logisches Denken für Klugheit. Dachte, wenn ich mich abhärte, bin ich in Sicherheit. Ich wunderte mich oft, wie falsch sich „das Richtige tun“ anfühlte.

Ich habe zum Beispiel mal bei einem großen Projektentwickler für Immobilien gearbeitet. Das Motto dieser Firma: Arbeiten, Saufen und Marathon laufen. Ich fand es cool, dort zu arbeiten, bis ich mit einem Burnout gekündigt habe und nach Indien gefahren bin. Mein Mann und meine Familie waren entsetzt über meine Entscheidung – doch sie war so richtig wie nur etwas richtig sein kann. Früher wollte ich die Signale meines Körpers nicht hören. Jetzt weiß ich, dass ich die ganze Zeit Signale bekommen habe. Wir freunden uns an. Ich gebe ihm, was er braucht, damit ich gut in ihm wohnen kann. Ich bin willensstark und habe trotzdem an meiner Intuition so oft gezweifelt. Ich bin schon länger auf dem Weg der Veränderung, doch erst das nüchterne Leben hat mir einen Schub gegeben, dessen Kraft mir manchmal den Atem raubt. Diese Kraft muss ich lernen zu steuern. Oft muss ich mehr zulassen, statt sofort reflexartig reagieren. Ich wusste zu Beginn dieses Weges nicht, was mich erwarten würde. Jetzt weiß ich, das dieser Weg in die Freiheit führt und wir alle Schmetterlinge sind, die ganze Zeit, wir müssen den Zugang freilegen.

Tanja

Ich habe mit Ende 40 festgestellt, dass ich schon lange ein ungesundes Verhältnis zu Alkohol hatte und missbräuchlich trinke. Im Sommer 2019 habe ich aufgehört und es war die beste Entscheidung meines Lebens. Ich war klar, ich war da, ich hatte Kraft für meine beiden mitten in der Pubertät steckenden Jungs. Mein Mantra war: „Ich liebe euch, auch wenn ihr gerade so scheiße seid.“ Dann kam der 18. September 2020 und gerade zerreißt es mir das Herz, diese Worte zu schreiben. Robin ist nach einer Party über die S-Bahngleise gegangen und wurde knapp erfasst – er war sofort tot…

Ich wollte klar blieben, alles ertragen und erleben. Sechs Wochen ging es gut. Dann fing ich langsam wieder an zu trinken, um mich zu betäuben. Es tat so gut einerseits und andererseits begann ich zu bemerken, wie stark der Alkohol meinen Schmerz triggerte. Schon nach zwei Bier bekam ich Selbstmordgedanken und wurde im Laufe der Monate immer instabiler. Und noch etwas geschah: Ich verlor meine innere Verbindung zu meinem toten Kind und der Heilungsprozess stoppte.

Ich hatte nach Robins Tod ganz besondere Erfahrungen, da waren Eingebungen, Zeichen, Sätze, ich fühlte mich mit ihm verbunden. Da war dieses Wissen, dass er in irgendeiner Form noch da war. Doch wenn ich mich betrank, löschte ich das alles aus. Ich habe erkannt, was mir der Alkohol auch in diesem schmerzhaften Prozess alles nimmt. Und dass ich das nicht möchte. Etwas mehr als zwei Monate trinke ich nun nicht mehr und es fühlt sich so viel besser an. Ich weiß, mir wird von oben geholfen und ich bin dankbar, so dankbar durch all das klar durchzugehen, den Schmerz, die Heilung, die Erinnerungen an meinen Engel. Das größte Warum, warum ich das alles auf mich nehme, nüchtern, klar und stark zu bleiben ist mein 19-jähriger Sohn Leon.

Bianca

Heute war das traditionelle Hutzelfeuer bei uns! Wir “verbrennen” den Winter. Das organisieren die Messdienerkinder, und dieses Jahr war meine Tochter mit dabei! 😊

Als ich da so stand und sah, wie die Kinder das Feuer anzündeten und ihr Lied dabei gesungen haben, überkamen mich tausend Glücksgefühle. Ja, auch ich verbrenne ein Stück Vergangenheit, ich lasse los und vertreibe die Sucht aus meinem Leben. Ich bin Bianca – eine Frau, die sich nicht mehr beherrschen lässt, die ihre eigenen Entscheidungen trifft. Die Auto fährt, wann immer sie will. Die lacht und fühlt wie noch nie zuvor. Die für ihre Freiheit kämpft und ihr Leben leben will. Die dankbar ist und jede Flamme in ihrem Körper spürt!

Ich kann unter Menschen sein. Ich fühle mich so wohl, nicht beschämt. Ich kann Gespräche führen, zuhören, für meine Kinder da sein. Oh Mann – in welchem Zustand bin ich die letzten 20 Jahre von diesem Feuer heimgegangen. Von dieser Tradition, dem Anzünden des Feuers habe ich so richtig erst zweimal was gesehen – und gezählt hat es nix. Gezählt haben die Getränke, die es gab. Voll bescheuert. Das Leben lag direkt vor mir und ich sah es nicht. Da, wo die Sucht wohnt, kann es nur düster sein. Deshalb lasst uns leben, entfacht das Feuer und zündet euer Licht an!



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