16.07.2021

Jenny: „Alkohol ist nicht Punkrock“

Gestern hat mir meine Mitarbeiterin Jenny geschrieben. Sie gehört zu meinem wundervollen Team, das sich zum Beispiel darum kümmert, die Mails und Fragen meiner Programmteilnehmerinnen und Programmteilnehmer zu beantworten. In diesen Mails lesen wir immer wieder Geschichten, aus denen hervorgeht, mit welcher Wucht Alkohol so viele Leben negativ beeinflusst und zerstört. Und wie gut es denjenigen dann geht, wenn sie aufgehört haben, ihn zu trinken.

Eine dieser Mails traf Jenny gestern bis ins Mark. Sie dachte an ihren eigenen Weg. Und da hat sie sich hingesetzt und ihre Gedanken aufgeschrieben. Ich darf sie heute mit Dir teilen.

Jenny

Ich lebe seit Herbst 2019 abstinent. Eigentlich sollte es „nur“ ein Jahr werden, um wieder klarzukommen. Mittlerweile will ich nicht mehr trinken. Dem zuvor gingen ca. 25 Jahre Alkoholkonsum. Mal weniger, meist mehr. Vor allem an den Wochenenden. Ich hatte drei längere nüchterne Phasen während meiner Schwangerschaften und Stillzeiten. Aber ich habe auch etliche Absturz-Abende erlebt. Ich gehörte immer zu den Lautesten und habe kein Ende gefunden. Ich konnte Treffen und Partys an mich reißen, ob erwünscht oder nicht. War mir auch egal. Hauptsache, ich konnte viel und lange trinken und machen was ich wollte.

Ich habe mal in Hamburg in einer Kneipe mit zwei Typen getrunken. Immer, wenn der eine es vermeintlich nicht merkte (haha), habe ich mit dem anderen geflirtet. Am nächsten Morgen im Hotel bin ich neben einem dritten Kerl aufgewacht, an den ich vom Abend gar keine Erinnerung habe. Das war eine meiner schlimmsten Storys. Mittlerweile kann ich schon drüber schmunzeln, aber damals, am nächsten Morgen, sah es ganz anders aus. Ich hatte ein megaschlechtes Gewissen und war psychisch am Ende. Weil ich mir das wieder angetan hatte. Weil ich mich wieder in den Filmriss gesoffen hatte. Weil ich nicht so eine Mutter sein wollte. Weil ich anscheinend meinen damaligen Freund betrogen hatte. Ich habe keine Erinnerung an die Nacht, aber als ich aufwachte, lag der fremde Typ nackt neben mir, also geh ich davon aus. Ich kannte ihn nicht mal, wusste nur, er lebt auf der Straße und ist auf Heroin.

Daraufhin war ich monatelang Patientin in der HIV-Ambulanz, da ich präventiv Medikamente bekommen habe, falls der Mann HIV gehabt hätte. Bis 1,5 Jahre nach dem besagten Abend musste ich in regelmäßigen Abständen zum HIV-Test in die Klinik fahren. Zum Glück blieben die Tests negativ. Und das alles neben meinem Leben als Mutter. Das passte alles nicht mehr zusammen. Ich hatte das Gefühl, ich lebe zwei Leben. Es war ein Alptraum.

Ich bin so froh, dass das Drama vorbei ist. Dass Ruhe eingekehrt ist. Her mit dem spießigen, langweiligen Leben.😉 Ich nehme es gerne an. Denn mittlerweile kann ich erkennen, dass diese Art zu leben nicht spießig und langweilig sein muss. Dass es alles eine Definitions- und Einstellungssache ist. Damals war grundsätzlich alles langweilig und uncool, wenn nicht dabei getrunken wurde. Schön leicht hatte ich es mir damit gemacht. Jetzt darf ich mir endlich eingestehen, dass es ohne Alkohol richtig geil ist und dass der Alkoholkonsum nicht für mich definiert, was ich als spießig oder langweilig empfinde. Ich bin auch nicht mehr die, die „hier“ schreit, wenn es heißt, wer geht heute Abend mit aus. Ich merke zum ersten Mal in meinem Leben, wie ich wirklich bin. Ich bin gerne für mich, ich habe keine Lust auf Smalltalk mit vielen fremden Leuten. Ich dachte immer, ich wäre so extrovertiert, aber ich glaube, ich bin es gar nicht. Interessant, wie man sich kennenlernt, wenn man den Alkohol weglässt.

Was geblieben ist, ist die Liebe zum Punkrock und die Leidenschaft für Konzerte. Da brauch ich erst recht keinen Alkohol zu. Ist schon ein geiles Gefühl, sich am nächsten Tag nicht nur an die Setlist, sondern auch an die Namen der Vorgruppen erinnern zu können.
😉


Es geht. Falls Du noch trinken solltest, falls Alkohol Dir Dein Leben noch verderben und erschweren sollte: Es geht. Wirklich. Tag für Tag, Schritt für Schritt. So lautet mein Credo. Und ich gebe bald ein Online-Seminar, in dem ich Dir erkläre, wie Du eine neue Sichtweise auf die Themen Alkohol und Abstinenz bekommen kannst – und wie es Dir gelingt, die ersten Schritte in ein nüchternes Leben zu gehen. Und zwar so, dass es sich bald nicht mehr nach Qual und Verzicht, sondern nach Freiheit und Selbstbestimmtheit anfühlt.

Falls Du teilnehmen möchtest, bitte hier entlang.


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