fbpx

19.02.2021

Nüchtern als Bierbrauer

Ich bin überzeugt davon, dass jede*r es schaffen kann, vom Alkohol loszukommen. Vor einem Jahr hat sich allerdings ein Mann zu meinem 30-Tage-Programm angemeldet, bei dem ich im ersten Moment dachte: Oha. Grund: Er ist Bierbrauer.

Und dann, vor Kurzem, lese ich in der OAmN-Facebookgruppe, dass er sein einjähriges Abstinenzjubiläum feiert. Ich bin ausgerastet vor Freude. Ja, es geht. Um Dich zu ermutigen und Dich zu motivieren, möchte ich seinen Post heute mit Dir teilen – gekürzt und natürlich in Absprache mit seinem Verfasser.

Teilweise getrunken, um Platz für neues Bier zu machen

Auch ich habe das erste Jahr ohne Alkohol geschafft. Es fühlt sich richtig gut an. Ich erinnere mich noch immer fast jeden Tag an meinen letzten und damit entscheidenden Absturz. Die Scham ist immer noch groß. Langsam festigt sich aber die Erkenntnis, dass dieser Absturz notwendig war, um endlich mit dem Alkohol aufzuhören. Ich hatte mich schon vorher mit Nathalies Programm beschäftigt. Aber ich glaubte lange, kein Problem zu haben. Das war eine grobe Fehleinschätzung.

Ich komme aus einem kleinen Dorf und lebe dort immer noch gerne. Alkohol ist hier völlig normal. Schon als Jugendlicher gehörte es in meinem Umfeld selbstverständlich dazu, Alkohol zu trinken. Schon mit 11 oder 12 haben wir im Wald „Budchen“ gebaut, heimlich Zigaretten geraucht und Dosenradler getrunken. Damals war das eher Aufmüpfigkeit. Ich gewöhnte sich aber schnell daran. Es gehörte einfach dazu. Mit der Konfirmation galt dann „Feuer frei“. Ich hatte meine ersten Abstürze. Es war völlig normal, dass am Wochenende regelmäßig viel getrunken wurde (glücklicherweise ist die Jugend heute vernünftiger geworden).

Mit 17 begann ich eine Ausbildung zum Brauer und Mälzer. Das ist wirklich ein toller und abwechslungsreicher Beruf – und bei uns auch ein sehr angesehener. Einziger Nachteil ist, dass immer Alkohol verfügbar ist. In der Brauerei habe ich eigentlich nie getrunken, da ich immer noch fahren musste. Alkohol am Steuer war für mich zum Glück nie ein Thema. Aber als Mitarbeiter einer Brauerei bekam ich jeden Monat zwischen 40 und 80 Liter Haustrunk. Und wenn einem immer eine unbegrenzte Menge Bier zur Verfügung steht, wird es auch getrunken. Ich fühlte mich groß, wenn ich trinken konnte. Wir haben viel gefeiert und immer viel getrunken. Es kostete ja nichts, war also egal. Teilweise habe ich nur getrunken, um Platz für neues Bier zu machen.

Im Job als Bierbrauer „musste“ ich Verkostungen durchführen. Dies war aber meistens nur ein Schluck. Am Wochenende kümmerte ich mich dann um meinen tariflichen Haustrunk, durch den ich damals einen Teil meines Lohns ausgezahlt bekommen habe. Mittlerweile arbeite ich bei einem Zulieferer der Getränkeindustrie. Ich besuche wöchentlich Hersteller von alkoholischen Getränken. Aber wenn ich eine Kostprobe angeboten bekomme, frage ich nach einem alkoholfreien Getränk. Nebenher bin ich ehrenamtlich bei der Freiwilligen Feuerwehr aktiv. Auch dort ist es schwierig, dem Alkohol aus dem Weg zu gehen. Ich habe aber gelernt, damit umzugehen. Corona sei Dank gab es dort im letzten Jahr ja auch wenig Anlässe zum Trinken.

Ich habe im letzten Jahr gelernt, dass es mir ohne Alkohol viel besser geht. Schon alleine, dass ich keinen Kater mehr habe, ist unbeschreiblich gut. Ich kann es jedem nur empfehlen. Ich hatte das Glück, dass ich die wirklich brenzligen Situationen an einer Hand abzählen kann. Ich hoffe, das bleibt so. Ja, manchmal fantasiere ich noch, dass ich mal wieder ein leckeres Bier mittrinken könnte. Dann gestehe ich mir aber ein, dass ich nicht hier wäre, wenn ich das könnte. Ich kann eben nicht nur mal eins trinken, ich kann nur viel trinken. Es geht nur 0 oder 100. Ich habe mich jetzt mit großer Freude für null entschieden. 

Das bleibt auch so!

Dank meinem Nüchternsein und Corona schaffe ich es, viel Sport zu machen. Ich habe im vergangenen Jahr über 20 kg abgenommen. Das neue Leben ist klasse.

Ich möchte euch allen danken. Ich lese fast alle Texte hier und freue mich, dass es bei vielen so gut läuft. Ich wünsche allen, die es schwerer haben, viel Kraft. Geht den Weg weiter, auch wenn er steinig ist, es lohnt sich wirklich! Vielen Dank auch an Dich, Nathalie. Ich wünsch dir weiterhin viel Erfolg bei deiner Arbeit.


Wofür ich mich von ganzem Herzen bedanke. Herzlichen Glückwunsch zu diesem riesengroßen Erfolg und weiter so<3


Was Dich auch interessieren könnte:

Wie bedenklich ist Dein Trinkverhalten?

Nach diesem kurzen Test kannst Du besser einschätzen, in welchem Bereich Du Dich mit Deinem Trinkverhalten bewegst.