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29.08.2020

Hilfe, ich habe aus Versehen Alkohol getrunken!

Holland im Mai 2017. Eine meiner ältesten Freundinnen heiratet, am Strand, mit Wind und Blumen in den Haaren. Die Gäste tragen Flatterkleider und Shorts, ihr Bruder spielt Gitarre, die Kinder spielen im Sand. Ich bin seit zehn Monaten nüchtern und im vierten Monat schwanger. Mein Leben ist schön.

Nach dem Essen schneidet meine Freundin mit ihrem Ehemann die mehrstöckige Hochzeitstorte an. Geil, Kuchen. Ich nehme meinen Teller entgegen, steche mit der Gabel in die Füllung, führe sie zum Mund, schlucke und – WUSCH – mein Kopf scheint zu explodieren. Ist da Alkohol drin? Da ist Alkohol drin!

Ich packe meine Freundin am Arm:
“Ist da Alkohol drin?”
“Öhm, ja stimmt, das ist Baileys-Torte.”
Die Angst fährt mir in jede Zelle meines Körpers. Nein, nein! Bitte nicht alles wieder von vorne. Bitte, bitte nicht! Ich renne zum Meer und falle im Sand auf die Knie. Stefan kommt hinterher.

“Was ist los?”
“Da war Alkohol drin. In der Torte war Alkohol. Stefan, das kann doch nicht wahr sein! Was, wenn jetzt alles wieder von vorne losgeht? Das halte ich nicht aus. Ich will nicht zurück. Oh bitte, bitte, ich will nicht zurück! Und das Baby! Was ist mit dem Baby? Scheiße, was ist mit dem Baby?”

Ich hatte in meinem Leben noch keine Panikattacke, aber in diesem Moment war ich ihr wohl am nächsten. Stefan reagierte so pragmatisch wie immer:

“Dem Baby geht es gut. Und Du machst jetzt weiter wie bisher. Zur Not ist morgen halt Dein Tag 1. Alles gut, Du musst nicht zurück.”

Die Faustregel

Er hatte Recht. Ich musste nicht zurück. Weder zurück in die Alkoholhölle noch zurück zu Tag 1. Dieser Kuchen hat mich nicht aus der Bahn geworfen. Aber er war mir eine Lehre. Heute frage ich doppelt und dreifach nach, bevor ich Pralinen, Soßen, Getränke oder sonstwas zu mir nehme, das ich nicht kenne.

Viel später habe ich von einer Faustregel gehört, die sich mit dem deckt, was ich damals gemacht habe.  Sie soll aus AA-Kreisen stammen. Endgültig verifizieren konnte ich das nicht, aber es spielt auch keine Rolle. Die Regel erscheint mir am vernünftigsten und ich denke, es ist im Sinne Deiner Abstinenz, dass auch Du sie anwendest, wenn Dir mal etwas Ähnliches passieren sollte. Sie lautet:

Wenn Du versehentlich Alkohol zu Dir nimmst – und es wirklich, wirklich ein Versehen war: Stell das Gericht, das Getränk, das Medikament oder was auch immer es war sofort weg, sobald Du bemerkst, dass Alkohol drin war. Sofort. Mach Dir danach keine unnötigen Sorgen. Aber nimm Dir den Schock ruhig zu Herzen und lass Dir das Ganze eine Lehre sein.

Mir hat dieser Tag damals nochmal verdeutlicht, wie sehr ich an meinem neuen Leben hänge. Und wie vorsichtig ich in manchen Bereichen sein muss, um diesen Schatz nicht zu gefährden.


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