29.09.2025

Community und Entstigmatisierung

Als ich im Jahr 2022 zu meinem ersten Deutschen Suchtkongress fuhr, war ich ehrfürchtig und aufgeregt. All die wichtigen Suchtforscher und Suchtforscherinnen! All das wertvolle Wissen! Ich betrat diese neue Welt mit erhöhtem Puls, merkte aber schnell: Die sind obernett. Die freuen sich, dass ich da bin.

Zum Suchtkongress 2023 nahm ich Rosa aus meinem Team mit. Wir veranstalteten ein erstes eigenes Symposium und ich fühlte mich der Wissenschaftscommunity schon etwas zugehöriger. Aus einem Tischgespräch beim Gala-Dinner entstand sogar eine erste Kooperation.

Die Ergebnisse daraus stellte ich auf dem Suchtkongress 2024 vor. Viele Menschen, bei denen mir zwei Jahre zuvor noch die Stimme zitterte, umarmte ich zur Begrüßung. Zudem befand sich letztes Jahr eine ganze Gruppe ‘meiner’ Leute um mich herum. Nüchterne Menschen, die es ebenfalls in die Wissenschaft zieht: Rosa, Alex, Mika, Alina. Es hatte nochmal eine andere Qualität, derart eingebettet zu sein. Es fühlte sich nicht nur nett und interessant an, sondern sicher.

Dieses Jahr war für mich der bisher schönste Suchtkongress. Ich habe ein Symposium organisiert mit Vorträgen von Frauen, denen ich sehr gern zuhöre. Und es war mega, permanent dachte ich mir: Wie interessant! Toll in Worte gepackt! Schöne Präsentation. Ich habe gesehen, wie Menschen über sich hinausgewachsen sind, habe Veranstaltungen geschwänzt, um in der Sonne zu lachen. Ich habe nicht nur viel gelernt und Ideen diskutiert, ich bin auch viel spazieren gegangen und habe Freundschaft gepflegt. In meinem Tagebuch steht mehrfach: Ich war so voll im Leben. Ich habe Community.

Und ich habe den Entstigmatisierungspreis 2025 gewonnen!

Genau genommen habe nicht ich ihn gewonnen, sondern wir. Unsere Community. Denn der Preis ging an die OAMN Interviewreihe Gesichter hinter der Sucht. Dort sprechen Menschen, die ein Alkoholproblem hatten und mittlerweile nüchtern leben.

Die Videos zählen zu den erfolgreichsten auf meinem YouTube-Kanal, wobei ich Erfolg auf verschiedenen Ebenen definiere. Zum einen erzielt jede dieser Folgen im Schnitt rund 62.500 Aufrufe und erhält für YouTube-Verhältnisse überdurchschnittlich viele Likes und Kommentare. Das zeigt, dass Menschen nicht nur zusehen, sondern sich aktiv mit den Inhalten auseinandersetzen.

Diese aktive Auseinandersetzung führt zu einem noch viel schöneren Erfolg: Viele der Zuschauenden kommentieren, wie hilfreich es für sie ist, sich in den Geschichten der Interviewgäste wiederzufinden. Das Gefühl, nicht allein mit dem Problem zu sein, wirkt entlastend, bestärkend und motivierend. Es gibt viele Menschen, die allein durch diese Interviewreihe den Mut gefunden haben, den Schritt in ein nüchternes Leben zu gehen.

Und nicht zuletzt sind die GhdS-Videos erfolgreich, weil sie einen Beitrag zur Entstigmatisierung von Alkoholabhängigkeit leisten und in unsere Gesellschaft reintragen, was die Fachleute auf dem Deutschen Suchtkongress schon lange wissen: Es kann jeden treffen, wir können genesen, unsere Geschichten sind vielfältig und unsere Wege auch.

Aus all diesen Gründen habe ich mich wahnsinnig gefreut, dass nicht nur ich diese Erfolge sehe, sondern dass sie von offizieller Seite gewertschätzt und anerkannt werden. 


Wenn Du die Gesichter hinter der Sucht regelmäßig ansiehst, kommentierst und weiterleitest oder sogar selbst schon Teil davon warst: Herzlichen Dank, dass Du dazu beiträgst, unsere Gesellschaft voranzubringen. Danke für Deine Offenheit und Deine Unterstützung. Sie bedeuten mir viel.

Schön, dass es Dich gibt.


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