31.03.2025

Marcus: „Will nicht nach albernen Trinkregeln leben“

„Geschichte schreiben ist eine Art, sich das Vergangene vom Halse zu schaffen.“ Dieses Zitat soll von Goethe stammen – und es ist echt was dran. Die eigenen Gedanken und Gefühle aufzuschreiben hat erwiesenermaßen eine therapeutische Wirkung. Schreiben heilt, schafft Ordnung im Kopf, regt Verarbeitungsprozesse an, schärft den Fokus, offenbart Muster und bringt Antworten ans Licht, die tief in Dir verborgen sind.

Aus diesem Grund sind Schreibaufgaben fester Bestandteil meiner Online-Programme. Ich gebe Dir zu Beginn ein Tagebuch an die Hand und stelle Dir darin immer wieder Fragen, die Dir helfen, Dich besser kennenzulernen und Deine Gefühle zu ordnen. Ein paar Sätze als Antwort reichen, aber viele meiner Teilnehmer:innen schreiben auch Briefe, Geschichten und Gedichte. 

Mein Programmteilnehmer Marcus hat meinem Team und mir eine seiner Tagebuchseiten geschickt. Mit der Erlaubnis, dass ich sie heute auch mit Dir teilen darf:


Marcus

Ich habe rund 20 Jahre lang ein massives Problem mit Alkohol gehabt. Gerade in den letzten Jahren natürlich so massiv wie kaum zuvor, da sich die Schlinge immer mehr zuzieht. Ich bin 42 Jahre, stehe gut im Leben. Ich habe täglich getrunken, sodass sich ein Automatismus eingestellt hat. Ich habe schon vor Jahren erkannt und gewusst, dass ich ein Problem habe und immer wieder versucht, kontrolliert zu trinken. Nur um danach wieder alles aufzuholen. Der Jojo-Effekt war so brutal.

Ich bin zwar erst an Tag 10 des 30-Tage-Programms, aber mein Leben hat sich komplett verändert. Ich kann alles nun endlich anders sehen und erleben. Ich bin so dankbar, dass ich mich von „Kalle“ – so nenne ich meine Sucht – getrennt habe. Wir hatten vielleicht am Anfang eine gute Beziehung, haben uns vermeintlich gut getan und hatten eine geile Zeit. Aber schnell wurde eine toxische Beziehung daraus, und ich habe eingesehen, dass unsere Trennung endgültig sein muss. Auch wenn der Trennungsschmerz am Anfang groß war und ich nicht wusste, wie ich ohne „Kalle“ leben soll – wir waren doch so viele Jahre zusammen und hatten auch gute Zeiten. Aber am Schluss haben wir uns nur gestritten und beschimpft. Ich will keine Hop-on-Hop-off-Beziehung mehr. „Kalle“ akzeptiert das noch nicht so ganz, aber er muss es lernen. Er muss akzeptieren, dass wir nun getrennte Wege gehen und keine gemeinsame Zukunft mehr haben. Er ist stehengeblieben und ich gehe weiter.

Ich bin bereits jetzt ein anderer Mensch geworden und erlebe endlich alles so, wie ich dachte, dass es nur mit Alkohol geht. Ich bin offen für Menschen, lasse mich endlich wirklich auf andere ein und tue nicht nur einfach so. Ich habe immer die anderen an oberste Stelle gesetzt und mich dann verloren. Alle waren wichtig, nur ich nicht. Jetzt stehe ich Tag für Tag an oberster Stelle und kann dennoch gut und aufmerksam zu anderen sein, sogar noch viel aufrichtiger und echter als jemals zuvor. Ich laufe aufrecht und stolz, ich fühle wieder und weiß schon jetzt, dass ich nie wieder zurück will. Ich will auch nicht kontrolliert trinken. Ich befreie mich gerade und will mich in Zukunft nicht „kontrollieren“ und nach albernen Regeln leben. Ich lebe endlich im Jetzt. Der Schleier löst sich auf, und ich merke, wie sehr der Alkohol mich auch beeinflusst hat, wenn ich nicht getrunken habe. Jetzt fühle ich zum ersten Mal, was möglich ist und was ich erreichen kann. Ich sauge alles von OAMN auf und das ist immer das Highlight meines Tages. Ich schaue alte Liveklassen an und mache überall mit, wo es nur geht. 

Neulich auf dem Weg zur Arbeit hatte ich so richtig gute Laune, habe die Musik ganz laut gemacht und hatte Freude daran. Der nächste Song sollte „Wonderwall“ von Oasis sein, und ich habe mir vorgenommen, wenn der kommt, singe ich mit. Als der Song dann lief, habe ich mich trotzdem irgendwie vor mir selbst geschämt, obwohl ich alleine im Auto auf der Autobahn war. Da kam dann wieder diese innere Stimme. „Meine Güte, warum singst du denn nicht, keiner sieht und hört dich. Jetzt sei doch nicht so lächerlich und leg los!“ Ich habe mich ganz kurz schlecht gefühlt, dass ich mich nicht überwinden konnte und festgestellt, dass ich mich wieder so runtermache. Dann habe ich diese Stimme ausgelacht und zu mir gesagt: „Marcus, alles gut, du musst nicht singen, wenn du es gerade nicht kannst. Vielleicht das nächste Mal, genieß einfach diesen geilen Song, so wie du es möchtest und gerade fühlst.“ Ich war so dankbar und glücklich, dass ich gelernt habe, diesen Stimmen etwas Gütiges entgegenzusetzen.

Jeder Punkt des Programmes kam zum richtigen Zeitpunkt und ich lerne nicht „nur“, ohne Alkohol zu leben, sondern so viel über mich selbst – und ich lasse mich total darauf ein. Ich bin dankbar, dass ich heute so einen Brief schreiben kann und mich von Herzen auf alles freue, was kommt.

Tausend liebe Grüße
Marcus


Was übrigens ebenfalls eine positive Auswirkung auf Deinen kompletten Organismus hat: Bewegung. 🙂

Solltest Du am ersten Maiwochenende noch nichts vorhaben und Lust auf einen richtig schönen Sporttag mit anderen nüchternen Menschen haben, schau Dir mal den Beitrag zum 1. OAMN Community Workout an. Meine Mitarbeiterin Alex veranstaltet es am Samstag, den 03.05. in Aurich und freut sich riesig, wenn Du auch kommst.


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