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31.10.2022

Brauchen wir Alkohol für den Rausch?

Ich habe am Montag mit Medizinstudierenden der LMU über den Film „Der Rausch“ diskutiert. Was megacool war. Zunächst mal, weil es für mich noch immer ein erhebendes Gefühl ist, nüchtern durch München zu laufen. Durch diese Stadt, die mich an so vielen Ecken an Abstürze und Misere erinnert. Am Montagabend trat ich auf die Straße, lächelte die Bavaria an und marschierte mit Beyoncé im Ohr zum Hörsaal. „You won’t break my soul, na, na.“ Ich liebe Unis. Und ich liebe inhaltliche Diskussionen.

Im Film „Der Rausch“ geht es um vier Lehrer, die die absurde These eines norwegischen Psychiaters testen. Nämlich die, dass Menschen mit einem zu niedrigen Blutalkoholgehalt auf die Welt kämen. Und dass es ihnen besser ginge, wenn sie permanent einen Pegel von 0,5 Promille hielten. Die Lehrer probieren im Film aus, was es mit ihnen macht, wenn sie das angebliche Minus ausgleichen. Und Überraschung: Es macht mit ihnen, was es mit einem so macht, wenn man sich angewöhnt zu trinken: Erst scheint es ganz toll zu sein, dann verlangt der viele Alkohol nach noch mehr Alkohol, dann wird’s zerstörerisch.

Es gibt ein paar schwierige Szenen in dem Film, aber insgesamt fand ich ihn gut. Mir gefällt, dass er die Menschen zum Nachdenken und Diskutieren bringt. Außerdem verdeutlicht er gut, wie janusköpfig Alkoholrausch ist. Dass dieser Rausch zwei Seiten hat, die untrennbar miteinander zusammenhängen – die helle und die dunkle. Die helle Seite zieht immer auch die dunkle nach sich. Immer. Ausschließlich hell geht nicht beim Alkohol.

Eine der vielen Fragen in der anschließenden Diskussion lautete: Aber dieser Alkoholrausch, der gehört doch dazu, oder?

Ja, tut er ganz offensichtlich. Aber ich denke nicht, dass er das muss. Meiner Meinung nach ist vielen nicht bewusst, dass Alkohol für ihre Glücksgefühle und ihr Wohlbefinden unerheblich ist. Bzw. nur deshalb erheblich, weil sie daran glauben. Im Film zum Beispiel feiern die Schülerinnen und Schüler am Ende ihr Abitur – mit sehr viel Alkohol. Aber an so einem Tag bräuchte es den eigentlich nicht. Da bist du doch eh high und glücklich und ausgelassen und trägst das Gefühl in dir, die Welt gehöre dir. Das Gleiche gilt für Stadionbesuche, extrem gute Gespräche oder Konzerte. Ich erinnere mich zum Beispiel an ein Max-Herre-Konzert, auf dem ich im ersten Jahr meiner Abstinenz war. Eines der schönsten Erlebnisse ever. Ich hab geweint, laut mitgesungen, gelacht vor Glück. Mir liefen Schauer über den Rücken, ich bin nach Hause geschwebt. Solche Erlebnisse sind doch an sich schon berauschend. Sie brauchen keinen Alkohol.

Aber ja, es gibt natürlich auch Situationen, in denen meine Argumentation nicht greift. Wo der Rausch fehlt. Nämlich überall dort, wo wir eigentlich nicht sein wollen. Auf schlechten Partys, auf Treffen mit Menschen oder an Orten, die wir eigentlich nicht ertragen können. Da kann Alkohol dämpfen und schmieren. Da kann der Rausch überdecken, was nicht stimmt.

Aber dann ist halt nicht der Rausch toll. Dann ist die Situation scheiße.


Wenn Du hören möchtest, wie Abstinenz Dir dabei helfen kann, ein Leben aufzubauen, in dem solche Situationen nicht mehr allzu häufig vorkommen, empfehle ich Dir mein aktuelles YouTube-Video in der Reihe „Gesichter hinter der Sucht“. Darin erzählt Sonja, was sich durch acht Jahren Nüchternheit alles verändert hat.


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