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22.04.2024

Richard: „Klar im Kopf“

Auf dem Weg in ein nüchternes Leben stoßen die allermeisten meiner Teilnehmerinnen und Teilnehmer früher oder später auf Fragen wie: Wer bin ich eigentlich, wenn ich nicht trinke? Was macht den Kern meiner Persönlichkeit aus? Was sind meine Werte und meine Bedürfnisse? Was macht mir wirklich Spaß? Und wie kann ich all das im Alltag leben, dazu stehen und daran wachsen?

Das herauszufinden gehört zu den schönsten Aufgaben der Abstinenz. Es gehört aber auch zu den herausfordernsten. Weil es mit sich bringt, dass Du Deine Gewohnheiten hinterfragst, Deine Emotionen beobachtest und Dein Umfeld auf den Prüfstand stellst. Einer meiner Programmteilnehmer hat einen Beitrag dazu geschrieben, den ich heute mit Dir teilen darf:


Richard

Mein Name ist Richard – und ich bin klar im Kopf. Heute weiß ich, dass der Grund für mein Trinken schlicht und einfach Angst war. Diese Angst: Ich muss allen gerecht werden, sonst droht der Liebesentzug. Ich habe mich in alle Himmelsrichtungen so zurechtgebogen, damit ich den Wünschen und den Bedürfnissen möglichst aller Menschen gerecht werde und tat so ziemlich alles, damit alle um mich herum zufrieden sind. Diese Taten führten zu vielen Gewohnheiten, die wie ein Programm in mir abgespult wurden – unabhängig davon, ob es mir selbst passte oder nicht, Hauptsache, die anderen sind zufrieden. Ich wollte immer der Korrekte, der Hilfsbereite sein. Everybody‘s darling, der für jeden und alle da ist, nur nicht für sich selbst. Das führte zu einer Persönlichkeitsentwicklung, die tief in meinem Inneren mit mir selbst überhaupt nichts zu tun hatte. Ich wollte gar nicht so sein!

Was folgte? Flasche auf, noch ein Schluck, weg der Druck.

Mein erster Schritt aus dieser Sucht war Akzeptanz. Akzeptanz der Erkenntnis, dass ich immer gegen den Druck getrunken habe, den ich mir selbst gemacht habe. Jedes Aufkeimen von Widerstand in mir habe ich wegspült. Mir ehrlich einzugestehen: Ja, ich missbrauche den Alkohol, weil ich tatsächlich jemand geworden bin, der ich gar nicht sein wollte – das war meine größte Erkenntnis. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich darüber nachgedacht, was ich tun möchte und was ich sein lassen will.

Mein Fazit nach einem Jahr Abstinenz:

Ich habe den Drang zur Perfektion gehen lassen, denn das trieb mich zum Wahnsinn. Ich bin nicht perfekt, ich will es auch nicht sein. Everybody‘s darling? Nein, ich kann und will sie nicht alle befriedigen. Ich habe damit aufgehört, mir weitere Etiketten aufzukleben, die mich nach außen hin als den Superkorrekten erscheinen lassen. Das ist schlicht und einfach Selbstbetrug. Meine alten Ego-Etiketten fallen nach und nach von alleine ab und werden weiter fallen. Die Zeit der Abstinenz arbeitet definitiv für mich.


In meiner aktuellen Podcastfolge spreche ich mit Sascha Seelemann darüber, wie er es nüchtern geschafft hat, wieder zurück zu seiner wahren Persönlichkeit zu finden. Und darüber, warum es sich so sehr lohnt, zu Dir zu stehen und so zu sein, wie Du wirklich bist. Wenn Du die Folge noch nicht kennst, hör unbedingt rein. Du findest sie hier.


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